Schattenelf - 4 - Feuerzauber
zurückzog, um kurz nach hinten auszuweichen, indem er zu einer perfekt ausgeführten kreisförmigen Attacke ansetzte, bei der sein Schwert in Einklang mit seinem Oberkörper eine volle Drehung beschrieb.
Sofort erkannte Brynn die Möglichkeit, ihm ungehindert in den Rücken zu stechen, und wusste, sie würde ihm damit eine schwere, vielleicht sogar tödliche Verletzung zufügen. Aber sie sah auch, dass Wan Atenn diese Unvermeidlichkeit bewusst in Kauf nahm und dass sie plötzlich keinen Platz mehr hatte, um zurückzuweichen. So schwer sie ihn auch verwundete, die fürchterliche, in Jahren des Kampfes abgewetzte und daher umso schärfere Chezhou-Lei-Klinge würde sie in jedem Fall treffen, und zwar mit voller Wucht.
Also unternahm Brynn gar nichts, ließ die Gelegenheit ungenutzt verstreichen und riss stattdessen ihre Klinge vor dem Körper senkrecht in die Höhe.
Der Krieger wirbelte herum, sein sirrendes, waagrechtes Schwert prallte genau in der Mitte gegen Brynns Waffe, drückte sie nach hinten und zwang Brynn, den Oberkörper zurückzubiegen. Wegen des veränderten Aufprallwinkels glitt Wan Atenns Klinge über Brynns Kopf hinweg, so dass die beiden Schwerter einander blockierten.
Wan Atenn, mehr als einhundert Pfund schwerer als Brynn, war mehr als bereit, sich auf ein reines Kräftemessen einzulassen. Wie ein Bulle drängte er vorwärts, drückte ihr Schwert mit seinem nach hinten und hob die linke Hand zum alles entscheidenden Schlag.
Plötzlich ging Brynns Klinge lodernd in Flammen auf. Der Chezhou-Lei hielt mitten im Schlag inne und wich sogar ein Stück zurück.
Brynn hob ihre Linke, um das Heft neben ihrer rechten Hand zu packen und den Schlag durch ein Hochreißen ihres pulsierenden Pauri-Schildes abzublocken.
Sie drängte weiter vorwärts und stemmte sich gegen die Klinge des Chezhou-Lei, dann ließ sie ihr Schwert unvermittelt nach hinten kippen, so dass ihre Schwertspitze unter der anderen Klinge wegrutschte und sich mit der ganzen Wucht des eben noch vorhandenen Widerstands senkte, Wan Atenns Helm und Schädel spaltete und sogar noch tiefer eindrang, bis sie schließlich auch den Schaft des noch immer im Unterkiefer des Kriegers steckenden Pfeils durchtrennte.
Brynn ließ die Flammen ihres Schwertes noch einmal kurz aufflackern und dann erlöschen, ehe sie die hasserfüllten Augen des Chezhou-Lei sah, die ihr rechts und links der Klinge entgegenstarrten.
Dann erlosch das Lebenslicht von Wan Atenn.
Brynn kam nicht mehr dazu, zu überlegen, wie sie ihre Klinge aus dem gespaltenen Schädel lösen konnte, denn sie hörte eine Bewegung hinter ihrem Rücken und wusste, sie war verloren.
Die übrig gebliebenen Chezhou-Lei waren mehr als froh, sich aus dem Gemetzel zurückziehen zu können. Stolpernd und strauchelnd schleppten sie sich hinüber zu den wartenden Reihen der einen Halbkreis bildenden Soldaten aus Jacintha. Pagonel und Meister Cheyes hatten alle Hände voll zu tun, die noch verbliebenen Kämpfer in einer Abwehrposition um die Verwundeten herum zu gruppieren. Ein Erreichen der Treppe war völlig unmöglich, und ebenso aussichtslos schien es, den sich immer mehr zusammenziehenden Halbkreis aus Speeren und Schwertern zu durchbrechen.
»Offensichtlich weigern sich die Chezhou-Lei, uns einen fairen Kampf zu liefern«, bemerkte Meister Cheyes mit unverhohlenem Abscheu. »Ich muss sagen, ich bin nicht mal überrascht. Aber da die Geschichte stets von den Siegern geschrieben wird«, beklagte er sich, »dürfte unsere Niederlage wohl als großer Sieg der Chezhou-Lei in die Annalen eingehen.«
»Brynn wird unsere Zeugin sein«, erwiderte Pagonel voller Bitterkeit. »Sie muss.«
Brynn riss mit einem kräftigen Ruck an ihrem Schwert und konnte sich gerade noch rechtzeitig herumdrehen, um es in Position zu bringen, da ließ sie es auch schon wieder sinken; vor Staunen klappte ihr die Kinnlade nach unten.
»Juraviel«, stieß sie hervor. »Cazzira.«
Und dann hätten ihre Knie fast unter ihr nachgegeben, als ein weiteres vertrautes Gesicht, das eines schrecklichen Ungeheuers, zwischen den beiden erschien. Das Gesicht war ihr fraglos bekannt, auch wenn der Kopf des mächtigen Drachen bei ihrer letzten Begegnung noch sehr viel größer gewesen war.
»Komm schon, beeil dich!«, rief Juraviel ihr zu. »Die behrenesischen Soldaten haben deine Gefährten in einen Hinterhalt gelockt!« Er bedeutete Brynn, sich zwischen ihn und Cazzira zu stellen, während der Drache sich ihr
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