Schattenelf - 4 - Feuerzauber
geschultert hatte, als sei er nicht schwerer als ein Schal. »Oder habt Ihr vielleicht Angst, Eure Krieger könnten erkennen, was es in Wahrheit mit mir auf sich hat, und sich auf die Knie werfen und mir statt Euch die Treue schwören?«
»Das Einzige, was mir Angst macht, ist, unseren Feinden deine wahre Stärke zu zeigen, bevor der Augenblick gekommen ist, sie damit zu überraschen«, erwiderte Brynn.
Der Drache schnaubte verächtlich, und kleine Feuerstöße schossen aus seiner pferdeähnlichen Schnauze. »Ich habe ihnen längst gezeigt, zu welch gewaltigem Zorn ich fähig bin! Unten im Süden …«
»Wo nur wenige entkommen sind, und die waren viel zu entsetzt und orientierungslos, um deine wahre Stärke beurteilen zu können«, widersprach Brynn. »Muss ich dich im Übrigen an die Berichte erinnern, denen zufolge dein Erscheinen auf einen Trick der Jhesta Tu zurückzuführen ist? Es gehört sehr viel mehr dazu, einen Krieg zu gewinnen als bloß eine einzelne Schlacht, mein lieber Pherol.«
Wieder gab der Drache ein verächtliches Schnauben von sich, so als wäre Brynns Argument, er sei nichts weiter als das Ergebnis eines magischen Tricks, geradezu absurd; dabei hatten sie in einem Lager tatsächlich eine ähnlich klingende Geschichte von einem gefangenen behrenesischen Soldaten aufgeschnappt.
»Ich werde morgen Nachmittag gegen Dharyan reiten«, verkündete Brynn.
»Und ich werde die Stadt morgen Nachmittag aus der Luft angreifen!«, erklärte Pherol. »Du kannst selbst entscheiden, ob du diese lächerliche kleine Zwischenmahlzeit, die du Nesty nennst, reiten willst oder ein Reittier, das einer künftigen Königin angemessen ist.«
Sowohl Juraviel als auch Cazzira warfen einen besorgten Blick zu Brynn, doch diese lächelte nur. »Du wirst die Stadt morgen Abend angreifen«, berichtigte sie. »Ich hoffe, mit dir fliegen zu können, aber falls das nicht möglich sein sollte, werdet ihr, du und deine beiden anderen Reiter, schon wissen, wie ihr vorgehen müsst.«
Brynns verschmitztes Grinsen verriet ihnen, dass hinter ihrer Bemerkung sehr viel mehr steckte, dass sie bereits einen klar umrissenen Plan hatte, aus dem sie ihr großes Selbstbewusstsein schöpfte. Also scharten sich alle um sie und hörten ihrer Erklärung schweigend zu, die nur gelegentlich von Pherols bestätigendem Grunzen unterbrochen wurde.
»Ein ziemlich verwegener Plan«, sagte Cazzira zu Juraviel, nachdem Brynn wieder gegangen war. »Offenbar hat sie vor, jede noch so kleine Schwäche auszunutzen, die sie bei Yatol Grysh zu finden vermag.«
Der Elf blickte über seine Schulter und sah, dass der Drache mit dem Verschlingen seines Elches beschäftigt war, ohne weiter auf die beiden zu achten. »Außerdem will sie gewinnen, ohne das Geheimnis des Drachen unnötig preiszugeben«, fügte er hinzu. »Nicht gegenüber den Behrenesern und, viel wichtiger, auch nicht gegenüber den eigenen Kriegern.«
»Glaubst du, Pherol hat gemerkt, wovor Brynn sich fürchtet?«
»Nein. Und ich halte Brynn für viel zu klug, um anderen gegenüber zu viel zu verraten. Sie weiß, dass To-gai sogar mit Pherol dem Chezru-Häuptling weit unterlegen ist.«
»Trotzdem hat sie sich für einen Angriff auf Dharyan entschieden, statt die Steppe zuerst von den weniger starken Einheiten zu säubern.«
»Genau aus diesem Grund weiß sie ja, dass sie unbedingt angreifen muss, und zwar mit größtmöglicher Entschlossenheit«, erwiderte Juraviel mit einem Nicken, während er in die Richtung schaute, in der Brynn und Nesty verschwunden waren, ein respektvolles, zusehends breiter werdendes Grinsen auf seinem zierlichen, kantigen Gesicht.
»Man hat sie bei der Durchquerung des Tals des Masur Shinton gesichtet, Yatol«, erstattete Carwan Pestle Grysh Bericht. »Eine nicht unbeträchtliche Streitmacht, um ein Vielfaches größer als die Truppe, mit der Ashwarawu uns damals angegriffen hat.«
»Und, werden sie nun tatsächlich von fliegenden Drachen begleitet?«, erkundigte sich Grysh mit unüberhörbarem Sarkasmus und einem ebenso schiefen wie heuchlerischen Lächeln im Gesicht. Er löste einen Blick von der an die Wand gehefteten Karte, um seinen Diener eingehend zu mustern.
»Unserer Ansicht nach werden sie vom Drachen von To-gai angeführt«, erwiderte Pestle. »Aber dabei handelt es sich um eine Frau, nicht um ein Fabeltier.«
Grysh musste herzhaft lachen. Er hatte die Soldaten aus Jacintha bei ihrer Ankunft gebeten, möglichst wenig Aufhebens um ihren Einmarsch
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