Schattenelf - 4 - Feuerzauber
zu machen, da er die Absicht hatte, sie, sobald das Wetter mit Einsetzen des Frühlings milder wurde, auf die to-gaische Steppe loszulassen. Wie froh war er jetzt, dass er damit noch gewartet und über ihr Eintreffen weitgehend Schweigen bewahrt hatte! Denn täglich gingen neue Berichte ein, denen zufolge diese neue Rebellin, der Drache von To-gai, an der Spitze einer nicht unbeträchtlichen Streitmacht in Behren eingefallen sei.
»Angeblich soll sie bereits an Ashwarawus Seite geritten sein, wusstet Ihr das?«, fragte Grysh. Carwan Pestle nickte. »Sie will sich um jeden Preis rächen, deshalb wird sie uns angreifen, ohne sich auch nur im Mindesten darum zu kümmern, dass uns derzeit mehr als zwölfhundert frische Krieger zur Verfügung stehen.«
»Sollen wir sie in der gleichen Weise aufmarschieren lassen wie bereits gegen Ashwarawu, Yatol?«
»Auf keinen Fall«, erwiderte Grysh ohne zu zögern. »Diese Frau wird sich noch sehr gut an das Debakel erinnern. Sie wird zweifellos nach Anzeichen Ausschau halten, ob in der Nähe irgendwelche Truppen lagern. Unsere Gäste sollen in der Stadt bleiben – kein Einziger darf sie verlassen, egal ob Behreneser oder Ru! Habt Ihr verstanden?«
»Jawohl, Yatol. Ein dementsprechender Befehl wurde bereits entlang der gesamten Mauer ausgegeben.«
»Lasst den Drachen von To-gai bis unmittelbar vor unsere Tore kommen. Dort werden wir die Frau und ihren armseligen Rebellenhaufen mit einer Tod und Verderben bringenden Salve empfangen, die sie noch im Sattel ihrer niedlichen Ponys vernichten wird.«
»Sehr wohl, Yatol.«
Grysh warf einen Blick auf die Karte, die das Tal des Masur Shinton darstellte. Wenn die Berichte stimmten, dann würde der Drache von To-gai noch am frühen Abend dieses Tages vor den Toren Dharyans eintreffen, um dort, wie zuvor bereits Ashwarawu, in sein Verderben zu rennen.
Der Gedanke versetzte Yatol Grysh schließlich doch einen milden Stich des Bedauerns, denn sein Freund und vertrauter Kommandeur Wan Atenn, dessen Leichnam auf den sonnendurchglühten Steinen einer fernen Wüstenei im Süden zurückgeblieben war, würde an diesem triumphalen Sieg nicht teilhaben können.
Allerdings, ermahnte er sich, standen ihm zurzeit sieben Chezhou-Lei zur Verfügung, sein neuer Berater sowie die sechs, die aus Jacintha eingetroffen waren. Das würde genügen, dieser hochtrabenden Aufrührerin und ihren Gefolgsleuten eine vernichtende Niederlage beizubringen. Dann würde Grysh die Truppen eigenhändig nach To-gai führen, den Sommer mit einem Rachefeldzug durch die Steppe verbringen und die aufmüpfigen Rus die volle Härte seiner Gerechtigkeit spüren lassen. Entweder sie akzeptierten die Vormachtstellung Behrens, oder sie erwartete der sichere Tod.
So einfach war das.
»Schwenkt nach rechts und links in Angriffsformation und haltet Eure Positionen«, befahl Brynn, als ihre nahezu eintausendköpfige Streitmacht sich der Stadt Dharyan näherte. Sie ließ die erste Angriffsreihe ausschwärmen, befahl ihren Kriegern, weite Abstände einzuhalten und gegenüber der Stadt Aufstellung zu nehmen, deren dunkle Mauer sich vor den dahinter brennenden Feuern als schwarzer Schattenriss abzeichnete.
Wie viele andere auch, schnappte der neben ihr reitende Pagonel sichtlich beeindruckt nach Luft.
Brynn sah Hilfe suchend zu ihm hinüber. Ursprünglich hatte sie ihn gebeten, sie nicht hierher zu begleiten, doch er hatte sich geweigert, zurückzubleiben, und im Grunde war sie froh darüber. Jetzt, da ihr großer Augenblick unmittelbar bevorstand, glaubte Brynn den schwierigen Auftakt ohne Pagonel an ihrer Seite nicht bewältigen zu können.
Aber wie viel unwohler würde ihr erst zumute sein, wenn er von einem Pfeil niedergestreckt wurde?
Brynn vertrieb ihre düsteren Gedanken mit einem missmutigen Knurren. »Zündet die Fackeln an!«, kommandierte sie, worauf der Ruf die gesamte Front entlang wanderte und die wenigen mutigen Freiwilligen, die sich als Fackelträger gemeldet hatten, diese lodernd in die Höhe reckten.
»Vorwärts!«, rief Brynn, und die Trommler fingen an zu spielen und gaben ein langsames Tempo vor, in dessen Rhythmus die gesamte Streitmacht sich zielstrebig auf die ferne Mauer zuzubewegen begann. Brynn wusste, dass man die Trommeln bis in die Stadt hören würde, und darauf zählte sie.
Auf der noch fernen Mauer loderten immer mehr Fackeln auf, bis eine Stimme rief: »Bleibt, wo ihr seid, und gebt euch zu erkennen!«
»Wisst Ihr etwa nicht, wer ich bin,
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