Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
verschwinden« und »wieder heimzugehen«.
Nicht wenige Kingsmen reagierten zunehmend verstört auf das gespenstische Geflüster, Aydrian dagegen schlenderte geradezu begeistert durch das gesamte Feldlager und erklärte seinen Kriegern, das Vorhandensein der Elfenstimmen sei lediglich die Bestätigung dafür, dass sie sich ihrem Ziel näherten.
»Sie versuchen, uns Angst zu machen und uns auf diese Weise zu vertreiben«, erklärte er, »weil sie wissen, dass sie uns auf dem Schlachtfeld nicht besiegen können. Haben wir Andur’Blough Inninness erst gefunden, was bald der Fall sein wird, bleibt den Touel’alfar nur noch die Entscheidung zwischen Flucht oder Tod!«
Seine Erklärungen und seine durch nichts zu erschütternde Zuversicht gaben den Soldaten neuen Mut, die nun ihrerseits dazu übergingen, auf das vom Wind herangetragene Geflüster mit Drohgebärden und Verwünschungen zu reagieren.
Überzeugt, seine Männer wieder auf Linie gebracht zu haben, kehrte Aydrian in sein Zelt zurück, stellte zwei Wachen vor dem Eingang auf und ließ drei weitere an den übrigen Seiten Posten beziehen. Der junge König vermied es, drinnen eine Kerze anzuzünden, ließ sich stattdessen in völliger Dunkelheit auf dem Boden nieder und umschloss seinen Seelenstein fest mit der Hand. Die Elfen waren nah – endlich.
Einen Moment darauf schlüpfte sein Geist aus seinem Körper, schwebte durch das Feldlager und versuchte das vom Wind herangetragene Geflüster zu orten. Kurze Zeit später entdeckte er ein paar hundert Meter weiter nördlich in einem kleinen, in einer engen Senke gelegenen Dickicht eine Gruppe von Touel’alfar. Die meisten saßen in den Zweigen der Bäume, manche allein, andere zu zweit, alle angeregt tuschelnd.
Aydrian war mit ihren Tricks bestens vertraut. Die Elfen konnten ihren Stimmen auf magische Weise eine andere Richtung geben und allein durch die Klangfarbe ihres Gesangs ein verwirrendes Geflecht unterschiedlichster Klänge erzeugen.
Er wusste, schon ein Bruchteil seiner Armee würde genügen, um sie alle in die Flucht zu schlagen, und genau das hatte er auch vor. Doch dann, sein Geist machte bereits Anstalten zurückzukehren, bemerkte Aydrian unter den Elfen ein vertrautes Gesicht. Es gehörte dem Einzigen, der sich vor all den Jahren, als er noch ein Hüter in der Ausbildung war, wirklich mit ihm angefreundet hatte.
Belli’mar Juraviel.
Bei ihrer letzten Begegnung war der Elf gerade im Begriff gewesen, zusammen mit Brynn Dharielle in den Süden aufzubrechen. Er hatte Brynn zum Thron von To-gai verholfen, und nun war er offenbar zurückgekehrt.
Das versetzte Aydrian einen Stich des Bedauerns. Von allen Touel’alfar empfand er nur für Juraviel so etwas wie Freundschaft, und die Vorstellung, ihn zusammen mit den Übrigen zu vernichten, behagte ihm ganz und gar nicht.
Aber das war nicht zu ändern.
Sein Geist schwebte ins Feldlager zurück und schlüpfte in seine Körperhülle, und einen Moment später trat er schwungvoll aus dem Zelt. »Ich benötige unsere hundert besten Männer. Sie sollen sich für den sofortigen Abmarsch bereitmachen«, wies er die Wachen vor der Zeltöffnung an. »Lauft sofort zu den Kommandanten der Allhearts und kümmert euch darum.«
Die beiden Soldaten entfernten sich mit eiligen Schritten.
Ein Lächeln huschte über sein hübsches, energisches Gesicht, als Aydrian seinen Blick in das Dunkel nördlich des Lagers richtete. »Der erste Kontakt«, sagte er leise. »Und schon der erste Sieg.«
»Die Krieger sind gut ausgebildet und diszipliniert«, sagte Juraviel zu Cazzira. Die beiden hockten Seite an Seite auf den tief hängenden Zweigen eines Baumes. »Etwas anderes hätte ich von einer von Aydrian angeführten Streitmacht auch nicht erwartet.«
»Aber warum kommt er her?«, fragte Cazzira – und das nicht zum ersten Mal. »Wenn diese Menschen so verdienstvoll sind, wie du meinem Volk von Anfang an weiszumachen versucht hast, warum hat Aydrian dann das Vertrauen der Tylwyn Tou so bitter enttäuscht?«
Belli’mar Juraviel setzte eine düstere Miene auf und wandte den Blick ab. Dasslerond hatte ihm von ihrer letzten Begegnung mit dem jungen Hüter berichtet, von Aydrians magischer Attacke, die sie beinahe das Leben gekostet hätte. Sie hatte gewusst, dass er zurückkommen würde – weshalb sie Jilseponie ganz offen angefleht hatte, ihr beim Kampf gegen den jungen König beizustehen –, daher kam der Aufmarsch dieser Armee nicht völlig unerwartet.
Und so war
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