Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
aufzusuchen und Euch auszurichten, dass wir Euch und Euer Volk in dieser finsteren Stunde nicht im Stich lassen werden.«
»Vor zwei Tagen?«, fragte Brynn. »Bis zum Pfad der sternenlosen Nacht sind es von hier gut zwei Wochen Fußmarsch.«
»Belli’mar Juraviel hat es mir mit Hilfe seines Edelsteins ermöglicht, ihn zu begleiten«, erklärte Lozan Duk. »Ich wäre schon gestern vor Anbruch der Dunkelheit eingetroffen, aber Belli’mar Juraviel hat mich draußen vor der Stadt abgesetzt. Wir konnten ja nicht ahnen, dass sie von einer Armee umzingelt ist. Ich habe die ganze Nacht gebraucht, um mir einen Weg zwischen den Menschensoldaten hindurchzubahnen.«
Brynn übersetzte dies alles für Pagonel, dann lehnte sie sich zurück. »Es sieht so aus, als hätten sich, was Aydrian betrifft, meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet«, sagte sie zu Pagonel.
»Was dafür spricht, dass Abt Olin eher der Abgesandte als der Schurke ist«, erwiderte der Mystiker. Er hob die Hand und strich Brynn über ihr schwarzes Haar – eine Aufforderung, ihm in die Augen zu sehen. »Du bist von großer Traurigkeit erfüllt«, sagte er.
»Du kanntest Andur’Blough Inninness nicht«, erklärte Brynn, »deshalb kannst du auch nicht verstehen, was sein Untergang bedeutet. Außerdem kanntest du Lady Dasslerond nicht. In gewisser Weise war sie so etwas wie eine Mutter …«
Brynn versagte die Stimme. Sie atmete einmal tief durch und schüttelte den Kopf. Sie wusste, dass sie jetzt stark sein musste, dass sie vermutlich mit noch weit größeren Herausforderungen als der Armee, die derzeit ihre Stadt belagerte, konfrontiert werden würde, und versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen. Plötzlich erschienen Bilder aus ihren Jugendtagen an der Seite Lady Dassleronds und der Elfen vor ihrem inneren Auge, und sie musste das Gesicht hinter ihrer Hand verbergen und sich zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen.
Schließlich hatte sie sich wieder so weit in der Gewalt, dass sie ihren Wachen den Befehl geben konnte, Lozan Duk auf ein komfortables Zimmer zu geleiten. Sie erklärte dem Doc’alfar, dass sie ihn in Kürze aufsuchen würde.
»Möchtest du allein sein?«, fragte Pagonel sie ruhig, nachdem der Elf gegangen war.
Brynn wollte schon bejahen, dann dachte sie noch einmal nach und entschied sich anders. »Komm bitte mit«, bat sie ihren lieben Freund und Berater. »Nimm mich in die Arme, wenn ich dich brauche, und hör zu, was ich über Lady Dasslerond und Andur’Blough Inninness zu erzählen habe.«
Pagonel nickte, kam um ihren Sessel herum, ergriff Brynns Hand und half ihr auf.
Sie waren noch nicht bei ihren Privatgemächern angelangt, als Brynn, der Drache von To-gai, bereits mitten in einer angeregten Erzählung über ihre schönsten Erinnerungen an die Zeit bei den Elfen war.
Klaglos stapften sie durch den tiefen Schnee – Bradwarden, der munter seine Lieder blies, hatte die Führung übernommen, dicht dahinter folgten Pony und Symphony.
Ein gutes Stück vor ihnen lief Belli’mar Juraviel nahezu mühelos über den tiefen Schnee, blieb hin und wieder stehen und rief ihnen eine knappe Bemerkung zu, damit sie nicht vom Weg abkamen. Er hatte Prinz Midalis und sein Gefolge bereits mit Hilfe seines Smaragds aufgespürt und ursprünglich vorgehabt, Pony und den Zentaur mit Hilfe eben dieser Magie zu ihm zu führen. Zu ihrer aller Erleichterung jedoch hatte Juraviel herausgefunden, dass Midalis gar nicht weit entfernt war – gerade mal einen knappen Tagesmarsch.
Ponys Freude über das Wiedersehen mit ihrem alten Freund nahm noch zu, als sie die kleine Kate betrat, die er vorübergehend als Quartier benutzte, und dort noch einen weiteren lieben Freund an seiner Seite erblickte.
»Alle schlechten Nachrichten schrumpfen angesichts des Glanzes, den Ihr mit Eurem Eintreffen in diese Hütte bringt, zur Bedeutungslosigkeit«, begrüßte Prinz Midalis sie. Er sprang von seinem Stuhl auf, eilte um den Schreibtisch herum und nahm Pony fest in die Arme.
»Dann habt Ihr also schon von meinem Sohn und seinem Marsch quer durch das Königreich gehört, das von Rechts wegen eigentlich Euch gehören sollte«, erwiderte Pony.
Prinz Midalis löste sich von ihr und wandte sich dem übers ganze Gesicht strahlenden Mann zu, der bislang im Hintergrund geblieben war. »Der gute Kapitän Al’u’met und seine Mannschaft haben kein Risiko gescheut, den Golf von Korona zu durchsegeln – und das, obwohl der Winter bereits unmittelbar vor der
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