Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
folgte eine längere Pause.
„ Den hab ich vergessen«, drang es schließlich verschämt zu Anke herüber. Die Frau schien offensichtlich nicht alle beisammenzuhaben. Vielleicht deswegen der hohe Zaun? Anke war drauf und dran, sich innerlich abzuwenden, als die Unbekannte hochgradig Seltsames kundtat. „Aber ich habe ihn nicht getötet. Nein!« Auf einmal klang ihre Stimme fest und gar nicht mehr verwirrt. Anke stutzte. Die merkwürdige Szene setzte sich fort. Ein wirres Lachen hallte durch die winzigen Ritzen der Palisaden. „Ha, ha, ha! Habe ich doch!? Ich weiß es nicht mehr, ist so lange her. Heilige Maria, was rede denn da?«
Ist die nun verwirrt oder nicht?
Ein Motorbrummen ließ Anke aufhorchen. Das bald darauf einsetzende Geräusch signalisierte ihr, dass das Garagentor hochfuhr.
„ Ich muss gehen«, erklärte Anke alarmiert. Wie gerne hätte sie sich weiter mit der Frau unterhalten.
„ Besuchen Sie mich mal wieder, und vielleicht kommt auch die Rosa und ...«, die Frau unterbrach sich. „Sind Sie noch da?«
Anke nickte vor sich hin und verhielt sich still, denn sie hatte den jetzt akustisch wahrnehmbaren Vorgang richtig gedeutet. Die Terrassentür des Anwesens war aufgeschoben worden.
„ Mutter, komm ins Haus!«
Zunächst flog ein greller Aufschrei in den grauen Himmel, ehe die Stimme der Frau erklang. „Mein Gott, haben Sie mich erschreckt, was machen Sie hier?«
„ Ich wohne hier, Mutter, genau wie du«, antwortete eine ruhige feste, männliche Stimme.
Die Stimme! Anke stand wie festgeklebt. Den Kopf leicht vorgebeugt lauschte sie, was weiter hinter dem Schutzzaun passierte. Sie hörte Schritte, die sich vom Zaun entfernten und dann nur noch, wie die Terrassentür zugezogen wurde. Nach einigen Sekunden merkte sie, dass ihr Mund offenstand und schloss ihn mit einem Ruck. Eine Weile starrte sie wie stumpfsinnig die dunkelbraun gestrichene Palisadenabgrenzung an, während ihr Herz klopfte wie nach einem 1000 Meterlauf. Sie war sich ganz sicher. Die Stimme gehört Fabio Koll. Er hat mir gesagt, dass seine Mutter bzw. Eltern tot seien! Und wen hat die Alte getötet oder nicht getötet?
Auf dem Rückweg lenkte Anke ihre Schritte nachdenklich um sämtliche Pfützen herum.
„ Und bist du noch fündig geworden?«, fragte Sandra, kaum dass Anke im Wagen saß.
„ Wenn ich das richtig sehe, könnte mein Unfallopfer in dem Haus wohnen.«
Sandras überraschten Seitenblick ignorierte Anke. Fabio Koll lügt offensichtlich und seine Schwester versteckt sich unter Perücken, seltsam.
„ Ist schon verrückt, dass ich unter solchen Umständen wieder auf Laura Kolls Bruder stoße. Jedenfalls wohnt der mit Sicherheit in diesem Haus samt seiner verwirrten Mutter. Erst gestern hatte ich das Erlebnis, den schneidigen Herrn kennenzulernen.« Wolf hat sich immer noch nicht gemeldet.
„ Ich verstehe nur Bahnhof. Schneidiger Herr ...?«, schäkerte Sandra.
Wieder in Bonn, ließ sich Anke bis zur Werkstatt fahren, wo sie ihren versprochenen Leihwagen, einen Smart, in Empfang nahm. „Du liebe Güte«, murmelte sie, als sie sich in das kleine Auto zwängte. Wohin? Erst mal heim und duschen.
„ Wieso hat mir Koll, was seine Eltern betrifft, einen derartigen Bären aufgebunden? Und mir kamen vor Rührung fast die Tränen«, murrte sie an die Windschutzscheibe .
Während sie duschte, sich abrubbelte, sich anzog, grübelte Anke darüber nach, ob sie die ganze Angelegenheit weiterhin interessieren sollte? Oder ob es nicht besser wäre, den leidigen Unfall mit allem, was damit zusammenhängt, einfach aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. Das Abwägen nahm kein Ende, denn vor dem leeren Kühlschrank stellte sich die nächste Aufgabe, womit sie verdammt ihren hungrigen Magen ruhigstellen könnte. Diese Frage wurde allerdings bereits überschattet von der nächsten, nämlich der Entscheidung, entweder zu Wolf zu fahren, in die Redaktion oder ins Krankenhaus.
Krankenhaus? Also interessiert mich doch weiterhin alles. Zuerst ins Krankenhaus, anschließend zu Wolf und zum Schluss in die Redaktion.
9
Vor Lauras Zimmertür verharrte Anke eine Weile, um sich zu sammeln, denn sie spürte eine wachsende Unruhe. Als würde sie einem unbekannten Ereignis entgegen sehen, von dem sie sicher war, das es eintreffen würde, aber nicht wusste, wann. Mit der prickelnden Ungewissheit klopfte sie an die Tür. Eine Männerstimme rief herein!
Forsch trat sie ins Zimmer, stutzte einen Atemzug, ließ sich ihre
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