Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
mehr von Klaus Nett gehört hatte. Laura hoffte sogleich, dass es auf ewig sein würde. Hatte ihr Bruder das mit: Aber von der schlimmsten Sache bist du schon erlöst gemeint? Seine Worte hallten in ihr nach. Hatte er Klaus Nett für sie erledigt. Erledigt hieß in der Regel, dass jemandem etwas zustößt, was er nicht überlebt. Lauras Herz sackte in den Magen. Sie stürzte zurück nach oben. Sah rasch nach ihrer Mutter, die selig lächelnd in ihrem Zimmer im Sessel vor sich hinbrabbelte, als auch nach Paola, die noch immer im Bett lag, aber wach war und ein Buch las.
„ Ich muss kur weg, und Fabio ist auch unterwegs«, rief sie Paola zu.
Paola bewegte bejahend den Kopf, sah aber nicht von ihrem Buch auf.
„ Und trete Frau Möller nicht noch einmal im Pyjama entgegen, zieh dich an.«
Paola nickte erneut. Laura war schon an der Tür, als Paola ihr nachrief.
„ Ich bin heute Abend mit Klaus ins Kino verabredet, hast du was von ihm gehört?«
Laura zuckte erst zusammen, dann schüttelte sie den Kopf.
„ Ich versteh das nicht«, murrte der Teenager, „ans Handy geht er auch nicht. Das ist gar nicht seine Art.«
„ Er wird sich sicherlich melden. Der hat dich noch nie vergessen«, antwortete Laura und konnte einen ärgerlichen Ton nicht unterdrücken.
„ Bis später, Schatz, und pass auf Mutter auf, dass sie nicht wegläuft.«
„ Dann schließ sie doch ein.«
„ Das ist Freiheitsberaubung.«
„ Du übertreibst. Übrigens, teilweise schleicht sie hier im Haus umher, dass ich mich fürchterlich erschrecke, wenn sie plötzlich wie ein Geist vor mir steht.«
„ Ich weiß, deshalb pass auf, dass sie dabei im Haus bleibt.«
„ Und außerdem schließt Fabio sie ja auch ein«, schmollte Paola.
Laura wandte sich ab und murmelte abfällig „Fabio.«
Vor Dr. Wolf Heinzgens Tür überfiel Laura unvermittelt Angst vor ihrer eigenen Courage. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, einfach loszufahren? Was?, wenn er gar keine Zeit für sie hatte? Womöglich verärgert war, nachdem Fabio ihm so schroff weitere Termine abgesagt hatte. Nun aber stand sie hier und drückte auf die Klingel, wenngleich ihr das Herz bis zum Hals schlug. Laura empfand sich viel zu nervös, kam sich vor wie ein Teenager bei der ersten Verabredung. Der verständnisvolle Dr. Heinzgen mit den warmen braunen Augen beherrschte häufig ihre Gedanken. Aber er gehörte der Journalistin. Es war verrückt, dass sich ihre Wege ständig kreuzten. „Jetzt bin ich sogar noch an ihren Mann geraten«, murmelte Laura und zuckte zusammen, als die Tür aufschnappte. Vorsichtig drückte sie dagegen, als erwarte sie etwas Unangenehmes. Laura horchte in den Flur hinein, aber sie hörte keine Schritte. Mit einem Schubs stieß sie die Tür ganz auf. Die Sitzgruppe weiter innen in dem schwach beleuchteten Flur zeigte sich verweist. Auch von Dr. Heinzgen war nichts zu sehen und zu hören, aber irgendjemand musste ja die Tür aufgedrückt haben. Hinter ihr fiel die Haustür zu. Laura sah sich erschrocken um. Noch konnte sie raus. Aber wie von einem unsichtbaren Faden gezogen schob sie sich bis zur Sitzecke und hockte sich, bereit, jeden Moment aufzuspringen, auf die Kante eines der Sessel. Hoch sensibilisiert auf Geräusche vernahm sie durch die gegenüberliegende Tür eine männliche Stimme. Sie kam näher und die Tür öffnete sich auch sogleich. Ein junger Mann trat heraus und starrte sie unverhohlen an. Über seine Schulter hinweg traf ihr Blick Dr. Heinzgen. Wenn er überrascht war, sie hier zu sehen, hielt er es gut versteckt. Er nickte dem scheidenden Patienten zu. Laura hielt ihre Augen auf Dr. Heinzgen gerichtet. Der Psychologe lehnte sich an den Türrahmen und sah sie ebenfalls unverwandt an, als suche er nach einer erklärenden Information in ihrem Gesicht. Aber Laura blieb stumm, saß einfach da und erwiderte seinen Blick. Plötzlich schoss ihr alles Blut, das in ihrem Körper unterwegs war, ins Gesicht. Gleich würde sie von dem heranrasenden Anfall ohnmächtig werden und ihr Kopf vor Hitze explodieren. Sie hatte vergessen, ihn mit Haaren zu bedecken. Wie von selbst fuhr ihre Hand zu dem flaumigen Schädel, während ihr vor Scham Tränen in die Augen jagten und ihre Wangen herunterrollten.
„ Oh mein Gott«, schluchzte sie.
Sofort war Dr. Heinzgen bei ihr, führte sie ins Therapiezimmer und bugsierte sie sanft in den Korbsessel. Anschließend reichte er ihr das bereitliegende Päckchen Papiertaschentücher .„ Beruhigen Sie sich. Es ist
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