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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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ausgetrieben.
    »Aber die Bedeutung Maithanets sprengt die Grenzen deines Vorstellungsvermögens«, sagte Inrau gerade. Es schien, als wäre die erstickende Atmosphäre der Taverne dem jungen Mann körperlich widerwärtig. »Einige beten ihn beinahe an, obwohl ihn das ärgert. Man soll ihm gehorchen, ihn aber nicht anbeten. Darum hat er ja diesen Namen angenommen…«
    »Angenommen?« Achamian hatte nicht bedacht, dass der Name etwas bedeuten mochte. Schon das verwirrte ihn. Die Vorsteher der Tausend Tempel nahmen von alters her einen neuen Namen an. Wie hatte ihm diese Selbstverständlichkeit entgehen können?
    »Ja«, gab Inrau zurück. »Er leitet sich von mai’tathana her.«
    Dieses Wort war Achamian unbekannt. Doch ehe er danach fragen konnte, fuhr Inrau schon in seiner Erklärung fort, und zwar mit herausfordernder Stimme, als könnte der ehemalige Schüler erst jetzt, da er endlich außerhalb der Reichweite der Mandati war, seinem aufgestauten Ärger die Zügel schießen lassen.
    »Der Begriff mai’tathana dürfte dir nichts sagen. Er stammt aus der auf Thoti-Eännorisch verfassten Chronik des Stoßzahns und bedeutet ›Anleitung‹.«
    Und was lerne ich daraus?
    »Und alles das bereitet dir keine Sorgen?«, fragte Achamian.
    »Alles was?«
    »Na, dass Maithanet sich mühelos das Amt des Tempelvorstehers hat sichern können und innerhalb von Wochen die Verwaltung der Tausend Tempel von sämtlichen Kundschaftern des Kaisers zu befreien vermochte.«
    »Warum sollte mir das Sorgen bereiten?«, rief Inrau ungläubig. »Das geht mir runter wie Öl! Du ahnst nicht, wie verzweifelt ich hier zunächst war, als ich begriff, wie erbärmlich und korrupt die Tausend Tempel geworden waren, und sah, dass sogar der Tempelvorsteher nur einer von vielen Erfüllungsgehilfen des Kaisers war. Dann aber tauchte Maithanet auf – wie ein Sturm war das, wie einer dieser seltenen, reinigenden Sommerstürme! Hätte ich etwa besorgt darüber sein sollen, wie leicht er Sumna gesäubert hat? Akka – ich war begeistert!«
    »Und was ist mit dem Heiligen Krieg? Kannst du dich dafür auch begeistern? Für einen zweiten Ordenskrieg?«
    Inrau zögerte und schien bestürzt darüber, wie schnell Achamian seine Emphase hatte abwürgen können.
    »Niemand weiß, gegen wen Maithanets Heiliger Krieg sich richten wird«, erklärte er dann steif. So sehr Inrau die Mandati auch verachtete: Die Vorstellung ihrer Vernichtung – dessen war sich Achamian gewiss – erfüllte ihn mit Entsetzen. Ein Teil von ihm ist immer noch auf unserer Seite.
    »Und wenn er doch den Orden den Krieg erklärt? Wie denkst du dann von ihm?«
    »Das wird er nicht tun, Akka – da bin ich mir sicher.«
    »Das war nicht meine Frage.« Achamian erschrak innerlich über seinen rüden Ton. »Wenn Maithanet den Orden den Krieg erklärt – was dann?«
    Inrau schob die Hände vors Gesicht – Hände, die Achamian für die eines Mannes stets erstaunlich zart gefunden hatte. »Ich weiß nicht, Akka«, sagte er dann. »Ich habe mir diese Frage schon tausendmal gestellt und noch keine Antwort darauf gefunden.«
    »Warum das denn? Du bist doch inzwischen ein Priester der Tausend Tempel, Inrau – ein Anhänger des Gottes, der sich dem Letzten Propheten offenbart hat und den die Chronik des Stoßzahns schon ankündigte. Fordert die Chronik nicht, alle Hexenmeister zu verbrennen?«
    »Doch, aber…«
    »Aber das gilt nicht für die Mandati? Die sind eine Ausnahme?«
    »Ja – das sind sie tatsächlich.«
    »Und warum? Weil ein alter Narr, den du mal sehr gern gehabt hast, zu diesem Orden gehört?«
    »Nicht so laut«, zischte Inrau und blickte ängstlich zum Tisch der Tempelritter. »Du weißt genau, warum, Akka. Natürlich schätze ich dich als Vater und Freund, aber ich achte auch… die Mission der Mandati.«
    »Was würdest du also davon halten, wenn Maithanet den Orden den Krieg erklärt?«
    »Dann wäre ich sehr traurig.«
    »Traurig? Das glaube ich nicht, Inrau. Du würdest denken, er hat sich geirrt. So brillant und heilig Maithanet auch sein mag – du würdest denken: Davon hat er einfach keine Ahnung!«
    Inrau nickte abwesend.
    »Die Tausend Tempel«, fuhr Achamian nun in sanfterem Ton fort, »sind unter den Großen Gruppen eigentlich immer die mächtigste gewesen, doch Korruption hat ihre Macht oft geschwächt, wenn nicht gebrochen. Maithanet ist seit Jahrhunderten der erste Vorsteher, der die überragende Bedeutung der Tausend Tempel wiederherstellt. Nun fragen sich in den

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