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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Wucht aus dem Weg zu schieben. Der Ritter war dünn, von patrizisch hohem Wuchs und sauber rasiert und hatte kurzes, pechschwarzes Haar. Das Weiß seines prächtigen Uniformrocks schien makellos, nicht jedoch sein Gesicht. Mit dem Ritter kam ein Duft von Jasmin und Myrrhe an den Tisch.
    Inrau sah auf.
    »Mir war doch so, als würde ich Euch kennen«, sagte der Tempelritter. »Ihr seid Inrau, nicht wahr?«
    »Jawohl, Lord Sarcellus.«
    Lord Sarcellus? Achamian hatte diesen Namen noch nie gehört, doch Inraus Erschrecken konnte nur heißen, dass er mächtig war – zu mächtig eigentlich, um sich mit kleinen Tempelpriestern abzugeben. Ein Kommandierender Tempelritter… Achamian blickte an ihm vorbei und sah, dass die beiden anderen Männer sie genau beobachteten. Jetzt beugte sich der im Kettenhemd zu seinem Kameraden vor, murmelte etwas und brachte ihn damit zum Lachen. Das ist nur ein Jux. Der will seine Freunde unterhalten.
    »Und wen haben wir hier?«, fragte Sarcellus und wandte sich an Achamian. »Macht der Euch irgendwie Ärger?«
    Achamian trank seinen Wein, wandte sich dabei zornig von dem Tempelritter ab und spielte den betrunkenen älteren Herrn, der keine Störungen erträgt. »Der Junge ist mein Neffe«, grollte er, »und steckt bis zum Hals in der Tinte.« Dann ergänzte er »Lord«, als sei ihm das gerade wieder eingefallen.
    »Ach ja? Und weshalb, wenn die Frage erlaubt ist?«
    Achamian tastete in seinen Taschen herum, als suchte er eine am falschen Ort gelandete Münze, schüttelte dabei in vorgeblicher Empörung den Kopf und weigerte sich noch immer, seinen Inquisitor anzuschauen. »Weil er sich wie ein Narr benommen hat, weshalb sonst? Er mag das goldene und weiße Ornat tragen – trotzdem ist er ein tugendhafter Volltrottel.«
    »Und wer seid Ihr, dass Ihr Euch anmaßt, einen Tempelpriester so herunterzumachen?«
    »Was tu ich? Inrau ausschimpfen?«, rief Achamian und gab den Betrunkenen, der erst erschrickt und dann zu höhnischem Spott übergeht. »Ich hab den Jungen immer für eine hoffnungslose Pflaume gehalten und richte hier nur die Botschaft meiner Schwester aus.«
    »Verstehe. Und um wen handelt es sich bei dieser Schwester?«
    Achamian zuckte grinsend die Achseln und bedauerte allmählich, den Mund zu voll genommen zu haben. »Meine Schwester? Eine brünstige Wildsau ist das.«
    Sarcellus blinzelte.
    »Hm – und wer seid Ihr demnach?«
    »Wildsaus Bruder!«, rief Achamian und sah dem Mann nun doch direkt ins Gesicht. »Kein Wunder, dass der Junge in der Tinte sitzt, was?«
    Sarcellus lächelte, doch seine großen braunen Augen blieben eigenartig leblos. Er wandte sich wieder an Inrau.
    »Der Tempelvorsteher verlangt unseren Einsatz, junger Priester – und zwar mehr als je zuvor. Bald wird er verkünden, gegen wen sich unser Heiliger Krieg richtet. Haltet Ihr es wirklich für angebracht, am Vorabend eines so bedeutsamen Ereignisses mit einer Knalltüte auf Sauftour zu gehen – selbst wenn es sich um Verwandtschaft handelt?«
    »Und was ist mit Euch?«, brummte Achamian und langte nach dem Weinkrug. »Hör auf deinen Onkel, Junge. Aufgeblasene, wichtigtuerische Kanaillen wie…«
    Sarcellus traf Achamian mit dem Handrücken seitlich am Kopf. Der Stoß schleuderte den Hexenmeister so heftig gegen die Lehne, dass sein Stuhl kurz auf zwei Beinen stand. Dann kippte er, und Achamian landete mit Wucht auf dem Boden.
    Diese Nummer löste in der Taverne Begeisterung aus.
    Sarcellus trat den Stuhl beiseite und kauerte sich mit der Selbstverständlichkeit des routinierten Fährtenlesers neben Achamian, der die Arme schützend vors Gesicht geschlagen hatte. Irgendwie schaffte es der Schauspieler im Hexenmeister, »Mord!« zu schreien.
    Eine eiserne Hand spannte sich um sein Genick, riss ihn mit einem Ruck hoch und hob sein Ohr an die Lippen.
    »Das hab ich kaum erwarten können, du Schwein«, flüsterte Sarcellus ihm zu.
    Dann war er weg. Achamian spürte den harten Boden, sah den Rücken seines Widersachers in der Menge verschwinden und versuchte aufzustehen. Was war nur mit seinen Beinen los? Und dass ihm der Kopf immer wegsackte! Witzig, dieses Lampenlicht – wie eine weiße Träne, aber doch hell genug, um Balken und Decke, Spinnweben und ausgesogene Fliegen zu beleuchten. Dann war Inrau hinter ihm, zog ihn ächzend auf die Beine, führte ihn zu seinem Stuhl und flüsterte ihm dabei viel zu leise etwas zu.
    Kaum saß Achamian, machte er eine unwillige Armbewegung, damit Inrau seine

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