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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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paar undeutliche Worte, war sich aber dennoch sicher, dass es Maithanet war, der da sprach. Wieder donnerndes Gebrüll. Leute stellten sich auf die Zehenspitzen, um die so weit entfernte Gestalt irgend zu berühren. Achamian konnte sich zwischen all den schweißnassen Körpern kaum mehr auf den Beinen halten. Ihm war schwindlig, und er schwankte mal zur Seite, mal nach vorn. Dann spürte er einen Reflex im Rachen und merkte, dass er kurz davor war, sich zu übergeben.
    Fieber …
    Doch da griffen von allen Seiten Hände nach ihm, und Fremde hoben ihn über die Köpfe der Masse. Unzählige Handflächen und Finger stützten ihn in blitzschnellem Wechsel geradezu leichtfüßig ab. Er spürte, wie die Sonne auf seinen Bart brannte und das Salz auf seinen Wangen trocknete. Immer wieder fiel sein Blick kurz auf klatschnasse Kleidungsstücke, auf Haar und Haut – ein Meer von Gesichtern, die beobachteten, wie seine Gestalt über ihnen dahinglitt. Dann hörte er eine Stimme, klar und warm wie ein Nachmittag im Herbst.
    »Der Glaube der Fanim«, rief der Tempelvorsteher, »ist per se eine Beleidigung Gottes. Und die Tatsache, dass wir Gläubigen, wir Inrithi, diese Gotteslästerung dulden, reicht, um den lodernden Zorn Gottes auf uns zu ziehen!«
    Achamian, dessen ausgestreckter Körper in der prallen Sonne auf zahllosen dienstfertigen Händen über den Platz driftete, staunte sehr über die Stimme dieses Mannes. Was für einen herrlichen Klang sie hatte! Einen Klang, der geschmeidig ins Ohr drang und in den Zuhörern gleichermaßen Leidenschaft und Nachdenklichkeit weckte. Und der Redner war ein Meister darin, seine Zuhörer mit raffinierten Modulationen der Stimme aufzuhetzen und wütend zu machen.
    »Die Kianene sind eine widerliche Sippschaft und allesamt Anhänger eines falschen Propheten. Meine Lieben – wir wissen aus der Chronik des Stoßzahns, dass es nichts Abscheulicheres gibt als falsche Propheten. Niemand ist hassenswerter und niederträchtiger als die, die über Gottes Wort spotten. Und doch schließen wir Verträge mit den Fanim und kaufen Seide und Türkise, die durch ihre unreinen Hände gegangen sind. Wir zahlen mit Gold für Pferde und Sklaven, die sie in ihren dreckigen Ställen gezüchtet haben. Schluss mit dem Handel zwischen den Gläubigen und den korrupten Völkern! Schluss damit, dass wir unsere Empörung verhehlen, um weiter Tand und Flitter aus den Ländern der Heiden zu kaufen! Nein, meine Lieben – sie sollen unseren Zorn zu spüren bekommen! Wir werden Gottes Rache über sie bringen!«
    Achamian zappelte über der begeistert kreischenden Masse. Die Handflächen, die ihn hier weiterschoben, würden bald Fäuste sein und niemanden mehr stützen, sondern niedermachen, wen und was immer sie erwischten.
    »Nein – der Handel mit den Heiden ist vorbei. Von heute an schlagen wir zu. Nie wieder werden die Inrithi solchen Unflat dulden. Verflucht sei, was verflucht ist! Auf in den Kampf!«
    Die Stimme des Redners kam immer näher, als ob die unzähligen Hände, die Achamian in der Luft hielten, ihn zum Ursprung der markigen Worte spülen würden – dieser Worte, die den Schleier, der eben noch über der Zukunft gelegen hatte, mit einem schrecklichen Versprechen beiseite fegten.
    Dem Versprechen, dass es einen Heiligen Krieg geben würde.
    »Shimeh!«, rief Maithanet nun, als berge dieser Name den Ursprung aller Trauer. »Die Stadt des Letzten Propheten ist in den Händen der Heiden. In unreinen, gotteslästerlichen Händen! Der heilige Boden von Shimeh ist Zentrum des abscheulichsten Bösen geworden. Die Cishaurim haben das Juterum – die Heiligen Höhen – zum Ort abgeschmacktester Feiern gemacht, zu einer Arena widerlichster Rituale! Amoteu – das Heilige Land des Letzten Propheten; Shimeh – die Heilige Stadt des Inri Sejenus; das Juterum – der heilige Ort der Himmelfahrt: An all diesen Stätten geschieht Schandtat über Schandtat, Sünde über Sünde! Sorgen wir dafür, dass die heiligen Namen nicht länger beschmutzt werden! Reinigen wir die heiligen Stätten! Machen wir uns ans blutige Handwerk des Krieges! Vernichten wir die Heiden mit unseren scharfen Klingen! Jagen wir ihnen unsere Speere ins Fleisch! Rösten wir sie bei lebendigem Leibe! Auf in den Kampf – bis Shimeh befreit ist!«
    Während donnernder Jubel losbrach, fragte sich Achamian auf seiner alptraumhaften Reise über die Köpfe der Masse mit der eigentümlichen Klarheit des fast Bewusstlosen, warum es die Fanim treffen

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