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Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sie - seiner Meinung nach?«
    Solberg räusperte sich, setzte zu einer Erwiderung an und schüttelte dann stumm den Kopf. Einige Sekunden lang schien er zu überlegen, wo er beginnen sollte. Ganz offensichtlich war ihm das Gespräch alles andere als angenehm.
    »Eric erzählte mir, als Kind sei er von einem Onkel sexuell mißbraucht worden«, sagte der Professor schließlich und blickte dabei in Richtung Fenster. »Der Mann hieß Hamp stead. Die ganze Sache begann, als Eric erst vier Jahre alt war, und sie setzte sich fort, bis er neun wurde. Er hatte furchtbare Angst vor seinem Onkel, konnte andererseits jedoch nicht den Mut aufbringen, sich jemandem anzuvertrauen. Er schämte sich, weil seine Familie so religiös war. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, wie sich gleich herausstellen wird. Ja, die Familie Leben zeichnete sich durch hingebungsvolle Frömmigkeit aus. In dieser Hinsicht duldete sie keine Kompromisse. Sie lehnte sowohl Musik als auch Tanz ab, ließ nur Platz für eine graue Religion, die jede Freude verbot. Natürlich kam sich Eric aufgrund der Dinge, die sein Onkel mit ihm anstellte, wie ein Sünder vor, und deshalb wagte er es nicht, sich an seine Eltern zu wenden.«
    »Das übliche Muster«, stellte Julio fest. »Es existiert auch in Familien, die nicht religiös sind. Das Kind gibt sich die Schuld für die Verbrechen des Erwachsenen.«
    »Barry Hampstead, der Onkel, entsetzte den jungen Eric«, fuhr Solberg fort. »Die Angst des Knaben nahm immer mehr zu, Woche um Woche, Monat um Monat. Und als er neun war, erstach er Hampstead.«
    »Als Neunjähriger?« brachte Reese erstaunt hervor. »Gütiger Himmel!« »Hampstead lag auf dem Sofa und schlief«, sagte der Professor. »Eric brachte ihn mit einem Fleischermesser um.«
    Julio überlegte, welche Folgen dieses Trauma für einen neunjährigen Jungen haben mochte, dessen emotionale Struktur durch fortgesetzte Mißhandlungen bereits nachhaltig gestört war. In seiner Vorstellung sah er den Knaben mit einem großen Messer in der Hand, beobachtete, wie der junge Eric immer wieder zustach, wie sich sein Gesicht in eine Fratze des Grauens verwandelte.
    Julio schauderte.
    »Anschließend wurde dem Rest der Familie natürlich klar, was über all die Jahre hinweg geschehen war«, sagte Solberg, »Aber Erics Eltern sahen in ihrem Sohn trotzdem nur einen Sünder, der Unzucht getrieben und jemanden ermordet hatte. Sie begannen einen psychologischen Vernichtungsfeldzug, um die Seele des Knaben davor zu bewahren, in der Hölle zu schmoren. Tag und Nacht mußte er Predigten über sich ergehen lasen. Sie straften ihn, zwangen ihn dazu, laut aus der Bibel vorzulesen - bis der Junge so heiser war, daß er kaum mehr sprechen konnte. Selbst als er das dunkle und lieblose Heim verließ, das College besuchte und mit seinem Studium begann, selbst nach den ersten Erfolgen, die ihn zu einem geachteten Wissenschaftler machten, glaubte er immer noch an die Hölle und die ihm bevorstehende Verdammnis.«
    Plötzlich begriff Julio, worauf Solberg hinauswollte, und es lief ihm eiskalt über den Rücken. Er sah kurz seinen Partner an: Reeses Züge spiegelten seine Empfindungen wider, brachten unverkennbares Grauen zum Ausdruck.
    Der Professor blickte noch immer auf den Campus der Universität, als er fortfuhr: »Sie wissen bereits, mit welchem Engagement Eric seine Langlebigkeitsforschungen betrieb und von Unsterblichkeit träumte - die er mit Hilfe der Gentechnik zu erringen hoffte. Aber vielleicht verstehen Sie jetzt auch, warum er so besessen davon war, dieses unrealistische
    -besser gesagt: irrationale -Ziel zu erreichen. Trotz der umfassenden Ausbildung und seiner enormen Intelligenz wandte er sich in dieser Hinsicht von den geraden Pfaden der Logik ab. Tief in seinem Innern glaubte er, nach seinem Tod drohe ihm die Hölle, nicht nur wegen der Dinge, die sein Onkel mit ihm anstellte, sondern auch deshalb, weil er Barry Hampstead umgebracht hatte. Einmal sagte er mir, er fürchte sich davor, seinem Onkel in der Hölle wiederzubegegnen und für alle Ewigkeit der Wollust Hampsteads ausgeliefert zu sein.«
    »Mein Gott«, brummte Julio leise und erschüttert.
    Solberg drehte den Kopf und sah die beiden Polizisten an. »Für Eric war die Unsterblichkeit auf Erden also nicht nur ein Ziel, das er aus Freude am Leben anstrebte, sondern infolge einer besonderen Furcht vor der Hölle. Und diese Motivatio nen mußten dazu führen, daß er zu einem Besessenen wurde.«
    Julio nickte

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