Schattenfeuer
vor seinen Erkenntnissen im Krankenhaus von Palm Springs naiv genug gewesen wäre, Sharp jedes Wort zu gla uben. Anson konnte natürlich nichts davon wissen, aber der neue Jerry Peake, erwachsen geworden aufgrund der Art und Weise, in der Sharp Sarah Kiel behandelt und auf den Felsen reagiert hatte, war nicht mehr so einfältig wie der alte.
»Von ganz oben, Jerry.«
Peake befürchtete, daß Anson Sharp sehr persönliche Gründe dafür hatte, Shadways und Rachael Lebens Tod zu wünschen, daß Washington überhaupt nichts von seinen Plänen wußte. Er konnte nicht genau bestimmen, warum er in diesem Punkt so sicher war. Eine Ahnung. Legenden und Leute, die dazu werden wollten -mußten sich auf ihre Ahnungen verlassen.
»Sie sind bewaffnet, Jerry - und gefährlich. Zwar haben sie nicht die Verbrechen begangen, die wir beim Antrag auf Ausstellung eines Haftbefehls anführten, aber sie machten sich anderer Verfehlungen schuldig. Ich bedaure es sehr, Ihnen keine genaueren Angaben machen zu können. Die Sache ist streng geheim, wie ich schon sagte. Nun, eins steht fest: Wir erschießen nicht gerade zwei aufrechte und anständige Bürger.«
Es verblüffte Peake, wie gut sein innerer Blödsinndetektor inzwischen funktionierte. Gestern noch hatte er voller Ehrfurcht zu seinem Vorgesetzten aufgesehen und wäre nicht imstande gewesen, den fauligen Geruch der Lüge wahrzunehmen. Jetzt empfand er den Gestank als überwältigend.
»Und wenn sie sich ergeben, Sir?« fragte er. »Machen wir sie trotzdem... unschädlich?« »Ja.« »Wir sind also gleichzeitig Gericht., Geschworene und Henker?«
Ein Hauch von Ungeduld vibrierte in Sharps Stimme, als er erwiderte: »Verdammt noch mal, Jerry, glauben Sie etwa, ich hätte Spaß daran? Ich habe im Krieg getötet, in Vietnam, für mein Land, aber es gefiel mir nicht sonderlich, obwohl es sich um einen leicht zu identifizierenden Feind handelte. Kommunisten sind immer die Bösen, nicht wahr? Erst recht dann, wenn sie nichts von einer Amerikanisierung halten. Noch unangenehmer ist es mir, Shadway und Mrs. Leben umzu pusten, die auf den ersten Blick betrachtet weitaus weniger den Tod verdienen als die Vietcong. Andererseits aber gewährte man mir Einblick in streng geheimes Material, aus dem ganz eindeutig hervorgeht, daß die beiden genannten Personen eine gewaltige Gefahr für unser Land darstellen. Außerdem habe ich von höchster Stelle den Befehl erhalten, sie zu eliminieren. Und ich weiß, wozu ich verpflichtet bin. Ich mag die Vorstellung nicht, sie umzubringen. Um ganz ehrlich zu sein: Der Gedanke daran macht mich krank. Niemand findet sich gern mit der Tatsache ab, daß man manchmal eine unmoralische Entscheidung treffen muß, daß das moralische Spektrum der Welt nicht nur aus Schwarz und Weiß, sondern auch aus vielen Grautönen besteht. Nein, die Sache gefällt mir nicht, aber mir bleibt keine Wahl.«
Was für eine blöde Faselei, dachte Peake. Du freust dich bereits darauf, Shadway und Rachael Leben ins Jenseits zu schicken, kannst es gar nicht abwarten, sie voll Blei zu pumpen.
»Was halten Sie davon, Jerry? Kann ich auf Sie zählen?«
Im Wohnzimmer der Hütte fand Ben etwas, das Rachael und er zuvor übersehen hatten: einen Feldstecher neben dem Ses sel am Fenster. Als Shadway ihn vor die Augen hob, konnte er weiter unten am Hang ganz deutlich die Kurve sehen, hinter der er mit Rachael stehengeblieben war, um das Blockhaus zu beobachten. Vor seinem inneren Auge formte sich ein bestimmtes Bild: Eric, der im Sessel saß und den Kiesweg im Auge behielt...
In weniger als fünfzehn Minuten durchsuchte Ben den Rest des Wohnzimmers und die drei Schlafräume. Als er im letzten Zimmer aus dem Fenster sah, bemerkte er einige abeknickte Zweige im Dickicht, das sich an die Rasenfläche anschloß -ein ganzes Stück von der Stelle entfernt, an der Rachael und Ben den Wald verlassen hatten. Eine deutliche Spur... Shadway erinnerte sich erneut an die seltsamen Ge räusche unterwegs, und die Vermutung, daß sie von Eric stammten, verdichtete sich immer mehr.
Wahrscheinlich verbarg er sich noch immer irgendwo dort draußen und lag auf der Lauer.
Shadway holte tief Luft. Es wurde Zeit, ihm nachzustellen.
Er verließ den Schlafraum, durchquerte das Wohnzimmer und betrat die Küche. Als er Anstalten machte, die Hintertür zu öffnen, sah er aus den Augenwinkeln eine Axt: Sie lehnte an der Seite des Kühlschranks.
Eine Axt?
Ben wandte sich von der Tür ab, runzelte verwirrt die Stirn
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