Schattenfeuer
einer Weile wurde sich Rachael auf unangenehme Weise bewußt, daß ihr Erscheinungsbild Aufmerksamkeit erregte Die vielen Personen, die an den Spielgeräten und -tischen ihr Glück versuchten, kleideten sich natürlich nicht alle auf betont elegante Art und Weise. Rachael sah nicht nur Abendkleider und teure Maßanzüge, sondern auch Jeans und Sporthemden. Doch außer ihr trug niemand eine schmutzige und zerrissene Bluse, eine Hose, die den Eindruck erweckte, als habe sie darin gerade an einem Rodeo teilgenommen.
Rachael blieb nicht stehen, als sie die Blicke einiger Anwesenden auf sich spürte, ging am Kasino vorbei, ging zu den öffentlichen Telefonzellen und fragte die Auskunft nach der Nummer Whitney Gavis. Er nahm fast sofort ab, und die junge Frau brachte beinah atemlos hervor: »Es tut mir leid, Sie zu stören. Wahrscheinlich kennen Sie mich nicht. Mein Name lautet Rachael...«
»Bens Rachael?« unterbrach er sie.
»Ja«, sagte sie überrascht.
»Dann kenne ich Sie doch. Ich weiß praktisch alles über Sie.« Sein Tonfall wies eine große Ähnlichkeit mit dem Shadways auf: Die Stimme klang ruhig und sicher. »Außerdem habe ich vor einer Stunde die Nachrichten gehört, diesen Blödsinn über eine Bedrohung der nationalen Sicherheit. Was für ein Quatsch! Benny soll ein Hochverräter sein? Daß ich nicht lache! Ich weiß nicht, was eigentlich gespielt wird, aber ich rechnete schon damit, bald von euch zu hören. Wenn ihr Hilfe braucht...«
»Ben ist nicht bei mir, aber er hat mich zu Ihnen geschickt«, erklärte Rachael.
»Das genügt. Sagen Sie mir nur, wo Sie sind.«
»Im Grand.«
»Es ist jetzt acht Uhr. Ich bin in zehn Minuten bei Ihnen. Wandern Sie nicht umher. Die Kasinos werden ziemlich gut überwacht, und wenn Sie einen Spaziergang machen, erscheinen Sie irgendwann auf einem Monitor. Und vielleicht hat einer der Typen vom Sicherheitsdienst ihr Bild in den Abendnachrichten gesehen. Verstanden?«
»Kann ich den Waschraum aufsuchen? Ich bin ziemlich erledigt und möchte mich ein wenig erfrischen.«
»Klar. Halten Sie sich nur vom Kasino fern. Und kehren Sie in zehn Minuten zu den Telefonzellen zurück, denn dort hole ich Sie ab. In jenem Bereich gibt es keine Kontrollkameras. Halten Sie durch, Mädchen.«
»Einen Augenblick!«
»Ja?« fragte Gavis.
»Wie sehen Sie aus? Wie erkenne ich Sie?«
»Seien Sie unbesorgt, Rachael«, erwiderte Gavis. »Ich erkenne Sie. Ben hat mir Ihr Foto so oft gezeigt, daß sich mir alle Einzelheiten Ihres hübschen Gesichts fest ins Gedächtnis eingeprägt haben. Bis gleich.«
Er unterbrach die Verbindung, und Rachael legte auf.
Jerry Peake war sich gar nicht mehr so sicher, ob er unbedingt zu einer Legende werden wollte. Er wußte nicht einmal mehr, ob ihm etwas daran lag, DSA-Agent zu sein. In zu kurzer Zeit hatte sich zuviel ereignet, und Peake sah sich außerstande, geistig mit den Geschehnissen Schritt zu halten. Er fragte sich, ob es ihm jemals wieder gelingen mochte, sein seelisches Gleichgewicht wiederzufinden.
Ein neuerlicher Anruf Anson Sharps hatte ihn aus einem tiefen Schlaf gerissen, und nicht einmal die kalte Dusche konnte alle Reste der Benommenheit von ihm abspülen. Nur wenige Minuten später rasten sie mit blitzenden Blinklichtern und heulender Sirene zum Flughafen von Palm Springs
-eine Fahrt, die er wie einen Alpdruck empfand. Um 20.10 Uhr traf eine zweimotorige Turborop vom Marine Corps Training Center ein, kaum eine halbe Stunde nach der Anforderung Sharps. Unmittelbar nachdem sie an Bord gegangen waren, startete die Maschine wieder. Peake saß in einem Sessel am Fenster, starrte in den Regen und die Finsternis, und seine Hände schlössen sich so fest um die Armlehnen, daß die Knöchel weiß hervortraten.
»Mit ein wenig Glück«, wandte sich Sharp an ihn und Nelson Gosser, »erreichen wir den McCarran International Airport in Las Vegas zehn oder fünfzehn Minuten vor Verdad und Hagerstrom. Und wenn die beiden sturen Bullen das Ge bäude verlassen, hängen wir uns an ihre verdammten Fersen .«
Der für 20.00 Uhr vorgesehene Start der Linienmaschine, die vom John Wayne Flughafen im Orange County nach Las Ve gas fliegen sollte, hatte sich bereits um zehn Minuten verzö gert, doch der Pilot versicherte den Passagieren, sie brauchten sich nicht mehr lange zu gedulden. Unterdessen boten die Stewardessen den Reisenden Getränke an.
»Ich hasse es zu fliegen«, brummte Reese und sah aus dem Fenster.
»Wird nicht allzu lange dauern, bis wir
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