Schattenfeuer
Einzelheiten ausmachen, sah sogar den blauen Schatten des Lacks auf dem Holz. In was auch immer er sich verwandeln mochte: Das Wesen zeichnete sich durch eine weitaus bessere Nachtsicht aus als ein Mensch.
Eine zerbeulte Aluminiummarkise überdachte den Weg, der auf allen drei Seiten an den Türen vorbeiführte, formte eine schäbig wirkende Promenade. Regenwaser rann herab, tropfte auf den Rand der schmalen Betonfläche, bildete glänzende Pfützen. Es platschte leise, als Eric durch das hohe Gras eilte.
Der Swimmingpool war entleert worden, doch der Regen füllte ihn langsam wieder. An den tiefsten Stellen stand das Wasser bereits dreißig Zentimeter hoch. Und darunter loderte ein verlockendes -und vielleicht nur halluzinatorisches
-Schattenfeuer, purpurn und silbern.
Irgend etwas an diesem Schattenfeuer jagte ihm einen ganz besonderen Schrecken ein. Als Eric in das dunkle Loch des fast leeren Pools starrte, verspürte er das jähe Verlangen, um die eigene Achse zu wirbeln und zu fliehen, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen.
Ruckartig wandte er sich von dem Becken ab.
Er trat unter das Aluminiumdach, und das metallische Pochen des Regens weckte klaustrophobische Empfindungen in ihm, so als sei er in einer Konservenbüchse gefangen. Er näherte sich dem Zimmer 15 und drückte den Knauf. Vergeblich. Ebenfalls verriegelt. Aber das Schloß schien alt und halb verrostet zu sein. Eric wich zurück und trat entschlossen auf die Tür ein. Schon nach einigen Sekunden erregte ihn die Aussicht auf neuerliche Zerstörungen so sehr, daß er laut und schrill zu heulen begann. Beim vierten Tritt zerbrach das Schloß, und mit einem weithin hallenden Quietschen schwang die Tür nach innen.
Mit einem Satz war Eric im Zimmer.
Er entsann sich daran, daß Shadway Rachael mitgeteilt
hatte, es gebe noch immer elektrischen Strom im Haus, aber er verzichtete darauf, das Licht einzuschalten. Er wollte vermeiden, daß Rachael Verdacht schöpfte, wenn sie schließlich eintraf.
Leise schloß er die Tür.
Er trat ans Fenster heran, von dem aus man auf den Hof blicken konnte, zog die schmutzigen Vorhänge einige Zentimeter beiseite und starrte in die Nacht hinaus. Zufrieden stellte er fest, daß er von seinem gegenwärtigen Standort aus sowohl die U-förmige Öffnung des Motels als auch die Bürotür im Auge zu behalten vermochte.
Wenn Rachael eintraf, würde er sie sofort sehen.
Und wenn sie sich in Sicherheit glaubte, würde er angreifen.
Ungeduldig verlagerte er sein Gewicht von einem Bein aufs andere.
Eric gab ein leises, hungrig klingendes Fauchen von sich.
Er gierte nach Blut.
Amos Zachariah Tate - so hieß der schnauzbärtige Fahrer des Lasters -wirkte wie die Reinkarnation eines Outlaws, der die abgelegenen Regionen der Mohavewüste auch während der Zeit des Wilden Westens unsicher gemacht, Postkutschen und Pony-Expreß-Reitern aufgelauert hatte. Sein Gebaren jedoch ähnelte eher dem eines Wanderpredigers aus der gleichen Epoche: Er sprach sanft, ruhig und sehr freundlich, doch der Tonfall verhärtete sich, wenn er sich über Seelenheil und ewige Verdammnis ausließ.
Er nahm Ben nicht nur nach Las Vegas mit, sondern gab ihm auch eine Wolldecke, mit der er sich vor der Kühle schützen konnte, die die Klimaanlage des Lastwagens auf seinen regennassen Leib blies, bot ihm sowohl Kaffee aus einer von zwei großen Thermosflaschen als auch eine dicke Stulle an und gewährte ihm darüber hinaus geistlichen Beistand. Er war aufrichtig um das körperliche Wohlergehen Shadways besorgt - ein natürlicher Guter Samariter, der mit Verlegenheit auf Dankbarkeitsbezeugungen reagierte und dem es völlig an jener Art von Selbstgerechtigkeit mangelte, bei der es sich um eine der wichtigsten Charaktereigenschaften aller modernen Boten des Herrn handelte.
Außerdem glaubte Amos Bens Lüge von einer schwerverletzten - und vielleicht sterbenden - Ehefrau im Sunrise Hospital, Las Vegas. Zwar wies er darauf hin, sich für gewöhnlich immer an die Gesetze der Vereinigten Staaten zu halten und dazu gehörte auch die Straßenverkehrsordnung -, machte aber in diesem Fall eine Ausnahme und beschleunigte sein riesiges Gefährt auf fast hundertdreißig Stundenkilometer.
Ben hüllte sich in die warme Decke, trank Kaffee, verspeiste das dicke Brot und grübelte über Leben und Tod nach. Er war Amos Tate sehr dankbar, bedauerte es jedoch, daß er nicht noch schneller fuhr. Immer wieder dachte er an Rachael, und wenn er sich vorstellte, wie
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