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Schattenfeuer

Schattenfeuer

Titel: Schattenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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alle, aber viel zu viele. Sie kamen bei Gefechten ums Leben, weil Heckenschützen auf sie feuerten oder unter ihnen Minen explodierten. Manche wurden regelrecht zerfetzt, andere verstümmelt. Doch die inneren Wunden waren noch viel schlimmer als die äußerlich sichtbaren. Wir zahlten einen verdammt hohen Preis dafür, für keine ehrenhafte Sache zu kämpfen, nur für das geringere von zwei Übeln, einen verdammt hohen Preis. Aber die einzige Alternative - die Rückkehr nach Hause -hätte darin bestanden, die Augen vor der Tatsache zu verschließen, daß es Übel mit verschiedenen Wertigkeiten gibt.«
    »Und deshalb hast du dich für ein drittes Jahr verpflichtet«, sagte Rachael.
    »Ja. Ich blieb in Vietnam. Und überlebte. Ich war nicht glücklich, nicht stolz, erfüllte nur meine Pflicht. Und dann... dann traf die Regierung die Entscheidung, die Truppen abzuziehen. Ich werde das niemals vergessen, denn meine Kameraden ließen nicht nur die Vietnamesen im Stich, sondern auch mich. Ich wußte, worum es bei dem Krieg ging, und ich war bereit, ein Opfer darzubringen. Doch mein Land, an das ich so fest glaubte, zwang meine Kameraden und mich zur Rückkehr, was dem größeren Übel den Sieg ermöglichte -so als hätten wir nicht die geringste Ahnung von den moralischen Problemen unseres Kampfes in Südostasien, als sei alles nur ein Spiel gewesen, bei dem wir die Figuren waren. Figuren, die weder denken noch fühlen konnten.«
    Noch niemals zuvor hatte Rachael einen solchen Zorn in Bens Stimme gehört - Wut, so hart wie Stahl, so kalt wie Eis.
    »Für einen Einundzwanzigjährigen war es ein enormer Schock zu erfahren, daß ihm das Leben keine Chance gab, zu einem wahren Helden zu werden«, fuhr Ben fort. »Daß ihn das Vaterland dazu zwang, sich falsch zu verhalten. Nach unserem Abzug brachten der Vietkong und die Roten Khmer in Vietnam und Kambodscha drei bis vier Millionen Menschen um, und mehr als fünfhunderttausend versuchten, mit hastig zusammengeflickten Booten übers Meer zu fliehen. In gewisser Weise fühle ich mich für den Tod all jener Männer, Frauen und Kinder verantwortlich. Ihr Schicksal lastet wie eine schwere Bürde auf mir, und manchmal glaube ich, ihr Gewicht nicht mehr aushalten zu können.«
    »Du bist zu hart mit dir selbst.«
    »Nein, keineswegs.«
    »Ein einzelner Mann kann nicht die ganze Welt auf den Schultern tragen«, sagte Rachael.
    Ben schüttelte den Kopf. »Vermutlich bin ich aus diesem Grund auf die Vergangenheit orientiert. Ich mußte begreifen, daß die Welten, in denen ich lebe - sowohl die gegenwärtige als auch die zukünftige -, nicht sauber und rein sind, es niemals sein werden, daß sie uns nicht die Wahl lassen zwischen Gut und Böse. Wenigstens aber kann man sich der Illusion hingeben, in der Vergangenheit sei alles besser gewesen.«
    Rachael hatte Bens Verantwortungsbewußtsein und seine unerschütterliche Aufrichtigkeit immer bewundert, aber nun stellte sie fest, daß diese charakterlichen Eigenschaften noch weitaus tiefer in ihm verankert waren -vielleicht sogar zu tief. Selbst derartige Tugenden konnten zur Besessenheit werden.
    Nach einer Weile drehte Ben den Kopf und begegnete ihrem Blick. In seinen Augen glänzte kummervolle Melancholie, ein Schimmern, das Rachael jetzt zum erstenmal in ihnen beobachtete.
    »Gestern nacht und heute morgen«, sagte er. »Nachdem wir uns liebten... Nun, zum erstenmal seit dem Krieg sah ich eine Chance, zwischen Weiß und Schwarz wählen zu können, ohne irgendwelche Grautöne berücksichtigen zu
    müssen.«
    »Was für eine Wahl meinst du?« fragte Rachael.
    »Ich kann mich entscheiden, das Leben mit dir zu verbringen - oder aber ohne dich«, erwiderte Ben. »Die erste Möglichkeit ist die richtige Wahl, ohne irgendeine Einschränkung. Und andererseits: Es wäre falsch, mich von dir zu trennen, vollkommen falsch. In diesem Punkt bin ich völlig sicher.«
    Schon seit Wochen, vielleicht sogar seit Monaten, wußte Rachael, daß sie Ben liebte. Doch sie hatte versucht, ihre Ge fühle zu kontrollieren und nicht an die Konsequenzen einer längeren Beziehung zu denken, um keine Enttäuschung zu erleben. Ihre Kindheit und Jugend waren von Einsamkeit geprägt worden, der schrecklichen Gewißheit, nicht geliebt zu werden, und aufgrund jener gräßlichen Jahre sehnte sie sich nach Zuneigung. Gerade das Bedürfnis, Liebe zu empfangen, hatte sie für Eric Leben zu einem leichten Opfer gemacht und sie veranlaßt, in eine Ehe einzuwilligen, die sich

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