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Schattenfluegel

Schattenfluegel

Titel: Schattenfluegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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kleinen flatternden Vogel hinter ihren Rippen spüren konnte.
    »Als Nina damals starb …«, setzte sie an, verstummte aber wieder, weil sie nicht wusste, wie viel sie Lukas erzählen sollte.
    »Hm?« Er hatte den Kopf ganz dicht an ihrem und sie konnte seine Lippen auf ihrem Haar spüren. Wenn er ausatmete, strich die Luft über ihre Kopfhaut und erzeugte ein Kribbeln.
    »Ich …« Kim wusste, dass es die Stimmung zerstören würde, wenn sie Lukas jetzt von dem Mord und von Nina erzählte, aber sie hatte das Gefühl, dass es an der Zeit war, ihm zu erklären, warum sie oft so merkwürdig reagierte. Sie hatte keine Ahnung, wie lange er ihr schräges Verhalten sonst noch aushalten würde. Ihr Blick wanderte nach oben zu dem Regalbrett. Das rote Bändchen stand an seinem gewohnten Platz.
    »Nina hat Tagebuch geschrieben«, begann sie zögernd.
    Lukas folgte ihrem Blick. Er musste den Kopf weit in den Nacken legen, bis er das Buch sehen konnte. »Das ist es«, vermutete er.
    Kim nickte. Dann machte sie sich aus seiner Umarmung los, reckte sich und angelte das Tagebuch vom Regalbrett herunter. »Das Letzte, was sie geschrieben hat, bevor sie starb, war ein Gedicht.« Sie schlug das Buch auf und hielt es Lukas hin.
    Während er die Zeilen las, bildete sich zwischen seinen Augen eine steile Falte. Er presste die Lippen aufeinander.
    »Das alles muss sehr beängstigend für dich sein«, sagte er leise mit einem mitfühlenden Blick.
    Kim nickte. Sie legte das Buch zur Seite und lehnte sich wieder gegen Lukas. Einen Augenblick lang zögerte er, aber dann zog er sie wieder an sich und legte seine Wange an ihren Scheitel.
    Kim schloss die Augen. Die Bilder fielen über sie her, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte.
    »Die Polizei hat das Gedicht von einem Psychologen analysieren lassen«, murmelte sie. »Er glaubt, dass Nina kurz vor ihrem Tod einen Jungen kennengelernt und sich in ihn verliebt hat.«
    Ganz kurz versteifte sich Lukas’ Körper, als sie das sagte.
    »So?«, fragte er dann. »Das kann der Typ aus diesen paar Zeilen herauslesen?«
    »Es ist mir erst auch schwergefallen, daran zu glauben.«
    »Aber jetzt nicht mehr?«
    Kim zögerte. Sollte sie Lukas von Ninas letztem Anruf erzählen? Irgendetwas in ihr warnte sie davor, es zu tun. Außerdem hatte sie Angst davor, dass er sie verurteilen und nicht mehr so liebevoll ansehen würde, wenn er wusste, dass Kim Nina in ihrer dunkelsten Stunde ganz und gar im Stich gelassen hatte.
    »Kim?« Lukas’ Stimme zitterte.
    Kim schielte hoch zu seinem Gesicht, konnte aber nichts aus seiner Miene herauslesen. Trotzdem wollte sie sich diesmal nicht aus seiner Umarmung befreien, sondern blieb stattdessen, wo sie war. »Sie hat mich angerufen, von ihrem Handy aus, kurz bevor sie starb. Sie hat auf meine Mailbox gesprochen, weil ich ihren Anruf weggedrückt habe.« Angstvoll hielt Kim inne. Wie würde er jetzt reagieren?
    Lukas’ Brustkorb hob und senkte sich langsam.
    »Aus dem Anruf geht klar hervor, dass es diesen Freund tatsächlich gegeben hat«, erklärte sie weiter. Ihre Haare kitzelten sie im Gesicht, aber sie wagte nicht, auch nur einen Millimeter von Lukas abzurücken.
    Lukas holte tief Luft. »Kim, ich …« Er klang, als wollte er etwas von großer Bedeutung sagen.
    Jetzt rückte Kim doch ein Stück von ihm ab, sah ihm in die Augen. »Was ist?«
    Er schwieg einen Moment. In seinem Blick flackerte es, Kim wusste nicht, warum. Er rang mit einem Gefühl oder einem Gedanken. Doch dann zuckte er plötzlich mit den Schultern. »Ach, nichts!«
    Er zog sie in seinen Arm zurück und wartete, bis sie den Kopf wieder an seine Brust sinken ließ. Dann gab er ihr einen sanften Kuss auf den Scheitel. »Ich passe auf dich auf!«, versprach er.

Kapitel 14
    Als Kim am nächsten Morgen auf dem Weg zu Ernies Terrarium war, kam ihr Sabrina entgegen. Kim unterdrückte ein Seufzen. Sie hatte überhaupt keine Lust, sich mit ihrer Freundin zu unterhalten. Es ging ihr auch heute nicht besonders gut, und sie überlegte, ob sie Dr. Schinzel von der Antriebslosigkeit erzählen sollte, die sie neuerdings quälte. Was, wenn sie auf eine waschechte Depression zusteuerte?
    Mit diesem Gedanken blieb sie mitten in der Pausenhalle stehen und sah Sabrina dabei zu, wie sie verlegen an ihrer Bluse herumnestelte. Immer noch stand die Tatsache, dass Sabrina am Samstagabend nicht sofort Alarm geschlagen hatte, wie eine Wand zwischen ihnen.
    »Ich muss gleich zu Englisch«, sagte Kim. Sie hoffte, Sabrina

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