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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Kälte zog langsam durch den kleinen Raum, sie wickelte sich in eine der Decken, um sich neben den kalten Kamin zu hocken.
    Die grässlichen Schreie fielen ihr wieder ein. Seine Unruhe, die er vor ihr hatte verbergen wollen, die sie aber dennoch gespürt hatte. War es tatsächlich ein harmloser Vogel, der drüben im Gebirge schrie, um sich aufzuplustern? Der Ruf war laut und gellend gewesen, als befände sich jener Vogel dicht vor ihrem Fenster, und auch seine Schwingen hatte sie gesehen. Sie waren schwarz gewesen wie das Gefieder des Raben.
    Die Sorge verscheuchte den letzten Rest von Müdigkeit. Mit kältesteifen Gliedern saß sie neben dem Kamin, dick in mehrere Decken eingewickelt, den Rücken an den auskühlenden Stein gelehnt. Immer wieder zwängte sie sich in die Fensternische, starrte in die Nacht hinaus, die weder Mond noch Stern hatte, und als sich das Dunkel langsam zu einem fahlen Grau färbte, stellte sie fest, dass die Eiszapfen das Fenster während der Nacht wieder mit einem engen Gitter verschlossen hatten.
    Fandur zeigte sich nicht. Vollkommen übermüdet schlief Alina auf dem steinernen Boden neben dem Kamin ein und erwachte erst von dem kratzenden Geräusch des eisernen Hakens, mit dem die Zwergin die Asche aus der Feuerstelle kehrte.
    »Feenkind friert«, wisperte Gora. »Gleich wird es warm werden.«
    Sie schleppte schwarze Kohlestücke herbei und entfachte geschickt das Kaminfeuer, doch obgleich Alina die eiskalten Hände so dicht an die Flammen hielt, dass sie sich fast verbrannte, zog doch keine Wärme durch ihren Körper.
    »Feenhaar leuchtet wie das Feuer«, flüsterte Gora, den Blick begehrlich auf Alinas offenes Haar gerichtet. »Etains Tochter hat besonderes Haar. Feenhaar schimmert silbern wie der Mond. Aber deines glänzt wie rotes Gold.«
    Aha – das erklärte, weshalb sie ihre Löckchen sammelte. Rotgoldenes Feenhaar schien eine ganz besondere Seltenheit zu sein.
    »Kam der Rabenkrieger schon in die Burg?«
    Goras Runzeln gerieten in Bewegung, doch es war schwer auszumachen, ob ihr Gesicht Mitleid oder Ärger ausdrückte.
    »Der Rabenkrieger ist fort. Flog über die dunkeln Berge davon. Folgt dem Ruf der Morrigan.«
    Alina erstarrte. Was für ein Name. Morrigan. Er klang wie das Schnarren eines Rabens, doch zugleich schien Grauen und Tod in diesem Wort zu schweben, genau wie in den Schreien, die ihr das Blut in den Adern hatten gefrieren lassen. Dieses Wesen also hatte nach Fandur gerufen, und er war ihm gefolgt. Die Morrigan. Das war der Name einer Frau.
    »Wer ist das?«
    Die Zwergin hatte bemerkt, welchen Eindruck sie mit den wenigen Sätzen hervorgerufen hatte, und sie schien erschrocken darüber, denn sie legte sich die grobe Hand über den Mund. Ohne zu antworten ging sie davon und schob die Pforte hinter sich zu. Hatte Fandur den Zwergen verboten, solche Dinge zu verraten? Die Morrigan. Niemals hatte der hinterhältige Rabe diesen Namen erwähnt, und ganz sicher hatte er gute Gründe dafür.
    Wer war sie, diese geheimnisvolle Morrigan? Alina stand auf, warf die Decken von den Schultern und lief aufgeregt im Raum hin und her. Eine Räbin vermutlich, was sonst. Hatte sie nicht ihren schwarzen Flügel gesehen? Groß war sie und ganz sicher nicht ungefährlich, denn ihr Schrei allein konnte Entsetzen hervorrufen. Sie hatte nach Fandur gerufen, zornig, gebieterisch, drohend, und er war ihr gefolgt.
    Sie spürte, wie Tränen ihr in die Augen stiegen, doch sie wehrte sich gegen den aufsteigenden Kummer. Fandur war schön, er wusste zu verführen, seinen samtig schwarzen Augen war schwer zu widerstehen. Wie kam sie auf den Gedanken, er liebe nur sie allein? Er hatte vor ihr zahllose andere geliebt und sie, die Fee mit dem rotgoldenen Haar, würde ganz sicher nicht die Letzte sein, die auf seiner Liste stand.
    Morrigan! Was für ein Wesen, das einen Mann auf solche Art herbeirief! Eine verabscheuungswürdige, widerliche Person. Aber Fandur war aufgebrochen, um ihr zu folgen. Jeden Tag war er zu ihr geflogen. Und während sie selbst heute Nacht vor Sorge um ihn fast verging, war der Rabenkrieger bei seiner gefiederten Geliebten gewesen.
    Sie nahm sich zusammen, denn jetzt betrat die Zwergin wieder das Gemach, ein Tablett mit allerlei Schüsseln in den Händen. Gora hatte es gut mit ihrem Gast gemeint, aus dem dicken Brei schauten zahlreiche, dunkle Fleischstückchen heraus, und zum ersten Mal lag ein frischer Brotfladen neben den Breischüsseln. Trotzdem hob sich Alinas Magen allein

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