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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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möglicherweise hatte sie ihren Nacken für einen nutzlosen Haufen schwarzer Federn kahlgeschnitten, mit denen sie höchstens ein Kissen stopfen konnte.
    Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, hob das lange Kleid an und stieg vorsichtig durch die blauschwarze Flut zur Fensternische hinüber, sorgsam bedacht, keines der feinen Flaumfederchen aufzuwirbeln. Der Blick aus dem Fenster brachte nichts Neues, grau und trist waren Tal und Himmel, kein lebendiges Wesen war zu entdecken, nicht einmal ein Rabe. Gut so – sie wollte auf keinen Fall von Fandur bei ihren Versuchen überrascht werden.
    Diesem Federkleid wohnte eine Zauberkraft inne – so viel war klar. Aber wirkte dieser Zauber auch bei anderen Wesen, oder konnte sich nur ein Rabenkrieger mit Hilfe dieser Federn verwandeln? Immerhin hatten die Zwerge solche Federkleider an sich gebracht und in ihren Kammern aufbewahrt – ganz sicher, um damit zu handeln. Mit wem? Bestimmt nicht mit den Rabenkriegern, denn denen hatten sie die Federn vermutlich gestohlen. Also musste das magische Federkleid auch für andere Wesen von Nutzen sein. Alina holte tief Luft, schlug den Teppich wieder vor die Fensternische und stieg mitten in die am Boden liegenden Federn hinein.
    Vielleicht war es ganz einfach, und sie brauchte nur die Arme auszubreiten, wie Fandur es damals in ihrem Schlafgemach getan hatte. Dann würden die Federn wie magisch angezogen zu ihr emporsteigen, und jede setzte sich an den Platz, der ihr bestimmt war. Sie würde ein Rabe werden, ein blauschwarzer Meister der Lüfte, mühelos würde sie über das Tal fliegen, bis hinüber zu der schwarzen Bergkette, oder zurück ins Hügelland, ganz wie sie selbst es entschied. Wenn der Zauber gelang, würde er ihr die Freiheit schenken.
    Schon wollte sie die Arme ausbreiten, da hielt sie erschrocken inne, denn ihr fiel ein, dass sie in diesem Fall auch einen schwarzen Schnabel und scheußliche Krallenfüße erhalten würde. Wer sagte ihr überhaupt, dass sie die Verwandlung wieder loswurde, nachdem sie einmal ein Rabe geworden war? Sie hatte Fandur noch niemals dabei beobachtet, wenn er wieder in seine menschliche Gestalt zurückkehrte. Am Ende musste sie für den Rest ihres Lebens eine Räbin bleiben. Unschlüssig stand sie inmitten der schwarzen Federn, betrachtete ihr kleinen Füße, die in gestickten Pantöffelchen steckten, und maß dann mit der Hand, wie lang und dick der Rabenschnabel wohl sein würde, den sie vor sich hertragen würde. Schrecklich, mit diesem Ding stieß man doch überall an.
    Was mache ich mir unnötige Sorgen, dachte sie schließlich.
    Ist meine Mutter nicht eine Fee, die sich mit Verwandlungen auskennt? Wenn ich es nur bis zur Quelle bei den Mauerresten schaffe, dann wird Etain schon Rat wissen.
    Sie holte tief Luft und breitete langsam die Arme aus. Nichts geschah, kein einziges Federchen bewegte sich. Sie schloss die Augen und verharrte eine Weile in dieser Stellung, bemüht, an einen Raben zu denken, sich sein schwarzes Federkleid vorzustellen, die kräftigen, gezackten Flügel, die glänzenden Nackenfedern, den breiten Schnabel, die Krallenfüße …
    Schließlich wurden ihre Arme lahm, und sie gab enttäuscht auf. So einfach schien es jedenfalls nicht zu gehen. Konnte tatsächlich nur ein Rabenkrieger etwas mit diesen Federn anfangen? Seufzend bückte sie sich, um einige Flaumfedern abzulesen, die sich am Saum ihres Kleides festgehängt hatten. Wenn es nun aber einen magischen Spruch gab, der die Verwandlung zustande brachte? Fandur hatte zwar niemals geredet, wenn er sich verwandelte, nicht einmal ein Flüstern hatte sie gehört, aber er konnte den Zauber durch die Kraft eines Gedankens herbeigerufen haben.
    Er hatte all diese Dinge sorgfältig vor ihr verborgen. Wie so vieles. Dieser listige Gauner hatte ihr freimütig allerlei Fragen beantwortet und sich so in ihr Vertrauen eingeschlichen, doch über sich selbst hatte er schlau geschwiegen. Zornig pustete sie die Flaumfederchen in ihrer Hand durch das Zimmer, sie schwebten hinüber zu ihrem Bett und ließen sich sacht auf ihrem Kopfpolster nieder, als wollten sie sie ärgern. Was sollte sie mit diesem nutzlosen Zeug anfangen? Sie fuhr mit dem Fuß über den Boden und wirbelte das blauschwarze Gefieder auf, so dass die kleineren Federn umherschwirrten, um sich dann auf den Truhen, auf dem Tischchen und in ihrem Bett zu verteilen. Einige verirrten sich sogar in die Schüsseln mit ihrem Morgenbrei und blieben auf der dicken Pampe liegen.
    Es

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