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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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du nicht!«
    »Ich wage es!«
    »Dann bist du verloren!«
    »Tu was immer du willst, du wirst mich nicht davon abhalten.«
    »Dann nimm meinen Fluch!«
    »Du wirst nichts damit gewinnen!«
    Der Lärm wurde heftiger, und sie konnte die einzelnen Worte nicht mehr voneinander unterscheiden, ohrenbetäubendes Kriegsgebrüll erfüllte ihre Ohren, Schreie, wie sie sie nicht einmal während der Kämpfe gegen die Drachenkrieger vernommen hatte, bestialisch, wild, blutdurstig und zugleich von einer rauschhaften Begierde, die sie noch weit mehr entsetzte als die Mordlust der Krieger.
    Seltsamerweise traf sie weder Schnabelhieb noch Schwert, der Kampf spielte sich über ihr ab, sie schien gar nicht mehr das Ziel der Angriffe zu sein. Erst als sie sich plötzlich frei von der Last fühlte und jemand ihr einen festen Stoß in die Seite versetzte, begriff sie, dass sie keineswegs in Sicherheit war.
    »Flieh! Versuche, die Burg zu erreichen.«
    Es war Fandurs Stimme. Er war es, der über ihr gestanden und ihre Flügel auf den Boden gepresst hatte.
    »Nun mach schon!«, hörte sie seine keuchende Stimme. »Die Zwerge werden dich verstecken.«
    Entsetzt begriff sie, dass Fandur sie die ganze Zeit über mit seinem Körper geschützt hatte, jetzt hatte er sich erhoben, um sich den Angreifer entgegenzustellen.
    »Ich decke deinen Rückzug«, hörte sie ihn rufen. »Flieh! So flieh doch endlich!«
    Sie kroch ein Stück auf dem Boden entlang, drehte sich dann nach ihm um, doch sie sah nur ein kreischendes, flatterndes Getümmel schwarzer Vögel, die auf ein Opfer einhackten, das sich in der Mitte des Knäuels befinden musste.
    »Fandur!«
    Es klang wie ein schwaches Krächzen, und sie verfluchte das elende Rabenkleid, das auch ihre Stimme verunstaltete.
    »Flieh!«, rief ihr ein Echo zu. »Flieh endlich.«
    »Nein«, stöhnte sie. »Ich helfe dir, Fandur. Ich komme und kämpfe mit dir …«
    Es hatte seit langer Zeit keinen Sturm mehr über der toten Ebene gegeben, doch in diesem Moment erhob sich ein heftiger Wind und riss die Räbin Alina mit sich fort. So sehr sie auch flatterte und krächzte, der unsichtbare Gegner war stärker und trug sie hinüber zu den schneebedeckten Bergen, wo er sie in eine glitzernde Wolke aus Schneekristallen hüllte.

Kapitel 23
    Wie einfältig war sie gewesen, als sie glaubte, das Fliegen erlernt zu haben und dem Sturm über den Schneebergen trotzen zu können. Wie ein lebloser Stofffetzen wurde sie umhergezerrt, gegen firnbedeckte Felsen geschleudert, im Kreise gedreht, in die Tiefe gerissen und wieder emporgetrieben. Es gab keine Möglichkeit, dem Wind zu widerstehen, die Rabenschwingen gehorchten ihr nicht, waren vollkommen gefühllos, so als gehörten sie nicht mehr zu ihr. Verzweifelt versuchte sie, sich an den firnbedeckten Felsen anzuklammern, doch ihre Krallen waren nicht spitz genug, um in das Eis einzudringen, sie glitten ab, und der Sturm ergriff aufs Neue Besitz von ihr.
    Den ganzen Tag über trieb der Schneesturm sein Spiel mit der Räbin, ließ sie die eisige Gewalt spüren, mit der er das Gebirge beherrschte, lachte dröhnend über ihre untauglichen Versuche, seiner Macht zu entkommen, hetzte sie, fügte ihr Schmerzen zu, brachte sie dem Tode nahe – und war dennoch ihr Verbündeter.
    Erst am Abend spie er die halb Bewusstlose aus, fegte sie wie ein zerzaustes Federbündel über den Rand des Gebirges hinweg. Alina fand sich am Ufer des gläsernen Flusses wieder, zu Tode erschöpft, halb erfroren, die Flügel zerfetzt. Die plötzliche Stille wirkte wie eine Betäubung, eine Weile hockte sie mit hängenden Schwingen unbeweglich im Schnee, spürte nur bleierne Müdigkeit und einen tiefen Kummer, ohne das eine vom anderen unterscheiden zu können. Dann legte sich ein rötlicher Schein auf ihre geschlossenen Lider, sie blinzelte und verspürte schmerzhaft, wie gleißende rote Lichtfünkchen in ihre Augen drangen. Auf dem glatten Eis des gläsernen Flusses spiegelte sich die Abendsonne, ihr Licht brach sich an einigen Schollen, die aufgetürmt am Ufer lagen. Doch nicht die funkelnden Lichterscheinungen waren es, die der Erschöpften neue Kraft einhauchten, sondern der Anblick der Hügel auf der anderen Seite des Flusses. Dort im Abendschein lag ihre Heimat, nach der sie sich so sehr gesehnt hatte, nur noch ein paar Flügelschläge, und sie war zu Hause, inmitten von Gräsern und herbstlichen Wäldern, in den Wiesen und Äckern, in der Burg ihres Vaters.
    Es war höchste Zeit, sich zu bewegen, denn

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