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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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mehr hatte geben müssen als eine Strähne ihres Haares, die sowieso bald nachwachsen würde.
    Die Augen der Räbin waren bei Tag scharf wie die der Fee, doch sie nahm die kleinen Schatten im grauen Dunst über ihr nicht mit dem Blick wahr, sondern mit dem Gespür des Raben, der das Herannahen der Artgenossen ahnte, noch bevor er sie sah. Zu ihrem Unglück sehnte sich ihre Rabennatur nach Gesellschaft, während die Fee genau wusste, dass ihr dadurch Gefahr drohte. Sie zögerte zu lange, starrte hinauf zu der Schar dunkler Vögel, die immer größer wurden, ihre gezackten Flügelenden zeigten, die vorgestreckten schwarzen Schnäbel sehen ließen. Als sie schon ihr aufgeregtes Krächzen vernahm, war es längst zu spät, um vor ihnen zu fliehen.
    Wie ein schwarzer Gewitterregen sank der Schwarm herab, besetzte rings um sie den Boden, die kahlen Ästen und die Spitzen der niedrigen Felsen, umgab sie wie eine Schar hungriger Galgenvögel, die ein wehrloses Opfer erspäht hatten.
    Vielleicht erkennen sie mich ja nicht, dachte sie voller Angst und rückte näher an den Stamm des Baumes heran, als könne das vereiste, tote Holz sie vor den neugierig starrenden Rabenaugen verbergen. Tatsächlich geschah vorerst nichts, sogar das Krächzen und Schnarren der schwarzen Krieger war verstummt, einige ordneten ihr Gefieder, andere zupften mit den Schnäbeln an ihren Krallenfüßen herum, alle aber sahen sie unverwandt an.
    Wo war Fandur? Er musste irgendwo zwischen seinen Genossen sitzen, und gewiss starrte auch er zu ihr hin. Doch sie wagte nicht, den Kopf allzu auffällig hin- und herzudrehen, deshalb konnte sie ihn nicht entdecken. Was würde geschehen, wenn er sie erkannte? Würde er sie verraten? Nein, ganz sicher nicht, denn unter diesen dreckigen Galgenvögeln befand sich gewiss auch seine hässliche Geliebte. Dieses Rabenweib, an dessen Namen sie sich besser nicht erinnerte, denn er schien magische Kräfte zu besitzen.
    Sie zuckte zusammen, als einer der schwarzen Belagerer aufflatterte und sich unweit von ihr auf dem selben Ast niederließ. Das vereiste Holz knarrte unter seinem Gewicht, der gläserne Überzug brach an einer Stelle, und kleine Eisstückchen fielen herab auf den Boden. Es war nicht Fandur, denn der Rabe hatte keine weiße Feder hinter dem Auge, auch sah er reichlich zerzaust aus, und sein Schnabel zeigte die Spuren harter Kämpfe.
    Er glotzte sie aus glänzenden Augen an, in deren Mitte ein durchsichtiger, bläulicher Kern war. Er öffnete den Schnabel nur einen Spalt und schnarrte mit tiefer Stimme allerlei Laute, mit denen sie wenig anfangen konnte. Es klang wie »Gorwin« oder »Garwin«, konnte aber genauso gut nur ein kehliges Krächzen sein. Sie hielt es für das Beste, nichts zu antworten, sollte er sich ausschwatzen und dann davonfliegen, vielleicht ließen auch die anderen sie dann in Ruhe. So aus der Nähe gesehen, erschienen die meisten ihr scheußlich, die Federn zerrupft, die Schnäbel voller Scharten und Dreck, und auch die Krallenfüße waren schmutzig. Schaudernd dachte sie daran, dass diese Gesellen sich in Krieger verwandelten und überall dort auftauchten, wo blutig gekämpft wurde. War das etwa eingetrocknetes Blut, was an den Krallen dieses Burschen neben ihr klebte?
    Ein lauter Ruf zerriss die scheinbare Ruhe, und Alina spürte, wie sie im Innersten erzitterte. Der Ruf der Morrigan war furchtbar, aus dieser direkten Nähe jedoch ließ er jedem Wesen, das kein Rabenkrieger war, das Blut in den Adern gefrieren und lähmte es in namenloser Angst. Plötzlich umgab sie ein schwirrendes, krächzendes Gewirr wild schlagender Flügel, vorgereckte, spitze Krallen griffen in ihr Federkleid, Schnäbel hackten auf sie ein. Wehrlos vor Angst und Schrecken stürzte sie von ihrem Ast auf den Boden hinunter, flatterte ungeschickt wieder auf und fühlte dann, wie eine schwere Last sie auf die eisbedeckte Erde drückte.
    Sie zappelte verzweifelt, versuchte, unter dem Gewicht hervorzukriechen, doch ihre Flügel wurden mit solcher Kraft auf den Boden gepresst, dass sie alle Hoffnung aufgeben musste. Keuchend lag sie unter ihrem Gegner, spürte keine Schmerzen, auch nicht die eisige Kälte der Erde, sondern nur ein seltsames Dröhnen in ihrem Kopf, und sie hoffte schon, dass eine gnädige Ohnmacht ihr das bittere Ende erleichtern würde. Doch stattdessen vernahm sie Schwerterklirren und zornige Kampfrufe, als tobe dort über ihr nicht ein Schwarm Raben, sondern eine aufgebrachte Kriegerschar.
    »Das wagst

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