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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Abwesenheit zugefallen?
    Sie hörte ihn mit scharfer Stimme Befehle erteilen, während sie von Macha gefolgt die steinerne Treppe zu ihrem Gemach hinaufstieg. Gedränge herrschte gleich darauf, Mägde rannten an ihr vorbei, um Nemeds Anweisungen zu befolgen, als Alina den ersten Stock erreicht hatte, kamen ihr Leute entgegen, die Kisten und Truhen, Teppiche und Bettgestelle herumschleppten.
    »Sie hatte dein Schlafgemach bezogen, diese Hexe«, sagte Macha zufrieden grinsend. »Nun muss sie alles wieder ausräumen lassen und deine Sachen an ihren Platz zurückstellen.«
    Bitterkeit stieg in Alina auf. Man hatte also schon ihr Gemach beschlagnahmt und ihren Besitz an andere verteilt. Nessa hatte es eilig gehabt, die Erinnerung an die Königstochter auszulöschen, und ihren Platz einzunehmen.
    Macha überwachte die Ausstattung des kleinen Raumes mit strengen Blicken, forderte diesen und jenen Gegenstand, der vergessen worden war, schob das Tischlein zurecht und überprüfte den Inhalt der Truhen.
    »Du wirst gut schlafen in dieser Nacht, Mädchen«, sagte Macha, während sie die Polster aufschüttelte. »Es ist ein schönes Gefühl, wieder in der Heimat zu sein, nicht wahr?«
    Alina nickte, um Machas Freude nicht zu enttäuschen. Doch innerlich spürte sie wenig Beglückung, sondern nur eine tiefe Trauer. Sie hatte sich so sehr nach dem Hügelland gesehnt, als sie in der kalten Zwergenburg gefangen war. Jetzt aber wäre sie am liebsten gleich wieder davongelaufen, denn alles in diesem Raum trug die Erinnerung an Fandur in sich. Der Fenstersims, auf dem das Pergament gelegen hatte, beschwert durch die Druse. In dieser Ecke hatte er gestanden, dort hatte sein Federkleid am Boden gelegen. Er hatte vor ihrem Lager gekniet, neben ihr gesessen, sie zärtlich umfangen, ihr Haar liebkost, ihre Haut berührt …Nein, nichts würde wieder so werden, wie es gewesen war. Die Erinnerung an Fandur, den Verräter, würde sie ihr Leben lang nicht mehr verlassen. Falls sie ihrer Mutter nachschlug, dann würde dieses Leben sehr lange dauern. Bis in alle Ewigkeit würde sie sich nach ihrem zärtlichen Rabenkrieger sehnen.
    Ein schüchternes Klopfen an der Tür unterbrach ihre kummervollen Gedanken, es war Baldin, der auf Machas Geheiß zögernd eintrat, die Lippen trotzig zusammengekniffen, die Augen auf einen der Wandteppiche in Alinas Rücken geheftet.
    »Du hast dich verändert, Baldin«, redete Alina ihn lächelnd an. »Mir scheint, du bist in diesen wenigen Tagen größer und ernster geworden. Fast kenne ich dich nicht wieder, mein kleiner Page.«
    Er hatte sich alle Mühe gegeben, seine Eifersucht und seinen Kummer zu verbergen, doch als er Alinas Blick begegnete, brach seine Verstellung in sich zusammen. Tränen füllten seine großen braunen Augen, er biss sich auf die Lippen und wandte Alina rasch den Rücken zu, denn er schämte sich, vor ihr zu weinen.
    »Ich war Euer Page und will Euer Knappe sein, Herrin. Auch wenn Ihr einem Fremden gefolgt seid und uns alle verlassen habt …«, stieß er hervor und wischte sich hastig mit dem Ärmel über das Gesicht. Dann drehte er sich zu ihr um und zog ein schmales Buch aus seinem Ärmel.
    »Ogyn hat es mir für Euch gegeben, Herrin. Er war sehr aufgeregt und erzählte mir mindestens dreimal, dass Ihr es unbedingt lesen sollt.«
    Welche Überraschung – Ogyn hielt sie für würdig, eines seiner eifersüchtig gehüteten Bücher zu lesen! Alina nahm das kleine Buch und betrachtete es entzückt, denn auf dem schwarzen Ledereinband hoben sich goldfarbige, verschlungene Ornamente ab, auch hatte es eine zierlich gearbeitete Buchschließe, die ganz sicher aus purem Gold war.
    »Was für hübsche Zeichnungen«, meinte sie. »Sag Ogyn meinen Dank – ich werde gewiss darin lesen, wenn ich Zeit dazu finde. Immerhin ist es schön zu wissen, dass er wieder in seiner Studierstube sitzt und in den Folianten wühlt.«
    Baldin fuhr sich mit dem Handrücken über die rechte Wange, um eine letzte feuchte Stelle zu trocknen. Dann erklärte er, dass Ogyn wenig zufrieden mit seinem Schicksal sei, denn Nessa habe ihm aufgetragen, nach einem Zauber gegen die Drachen zu suchen. Der Ärmste sei dort oben eingeschlossen und würde erst freikommen, wenn er den Zauber gefunden hatte.«
    »Hätte ich nur Etains Feenbogen«, sagte Alina leise. »Dann könnte ich das Land wohl vor den Drachen schützen.«
    Baldins Augen wurden schmal, doch durch den Spalt der Lider blitzte es zornig. Ja, er hatte sich verändert.

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