Schattengefährte
genossen die kühle Nässe und suhlten sich im schlammigen Boden. Unter der Linde stand jetzt ein beladener Wagen, vor dem zwei Ochsen gleichgültig im Regen ausharrten, während Knechte und Mägde unter die Wagenplane krochen, um dort Kisten und Bündel herauszuheben und in die Burg zu tragen. Alina kannte Wagen und Ochsen, sie gehörten Donn, den man hier den Händler nannte. Er brachte einmal im Monat allerlei schöne Dinge in die Burg, Stoffe und Silberschmuck, Schwerter, Dolche, auch bunte Garne, Gürtelschnallen, sogar dicke Folianten. All diese Waren wurden in einem Dorf hergestellt, das nahe der toten Berge lag. Dort lebten geschickte Handwerker, die für den König arbeiten mussten, es waren Künstler darunter, die Metall und Leder mit goldfarbigen Bildern versahen und Muster aus kleinen Edelsteinen in die Griffe der Dolche hämmerten. Donn war ein vierschrötiger Bursche, ein Graubart mit kleinen, glitzernden Äuglein, der seine Knechte hart behandelte, und selbst vor ihrem Vater, dem König, nur geringen Respekt zu haben schien. Alina hatte ihn nie gemocht, denn seine grobe Art stieß sie ab, doch wenn sie ehrlich war, musste sie gestehen, dass Donn gerade sie stets mit besonderer Achtung behandelte.
Sie musste sich in eine Ecke drücken, um den beladenen Knechten und Mägden nicht im Weg zu sein. Die Waren wurden mühsam die engen steinernen Treppen hinaufgeschleppt, um oben in Nessas Gemächern ausgebreitet und begutachtet zu werden. Da Alinas Vater nicht da war, konnte sie sicher sein, dass die schönsten Stoffe und Schmuckstücke jetzt in Nessas Truhen verschwanden, damit der König nicht etwa später auf die Idee kommen könnte, sie seiner Tochter zu schenken.
Es regnete zu stark – wenn sie jetzt über den Hof zum Stall hinüberlief, würde sie klatschnass werden. Doch als sie sich gerade umgewendet hatte, um in die Halle zu laufen, hielt sie eine raue Männerstimme von ihrem Vorhaben zurück.
»Herrin! Etains Tochter. Auf ein Wort!«
Es war Donn, der sie anrief und seltsam war, dass er dabei den Namen ihrer Mutter nannte, der in der Burg fast nie ausgesprochen wurde. Nicht einmal Macha nannte ihre Mutter bei ihrem Namen, sie sagte »die vergangene Herrin« oder »Angus` erste Frau«.
Donn schob zwei seiner Knechte rüde beiseite, so dass sie mit ihren Lasten fast gestürzt wären, doch als er vor Alina trat, nahm er die nasse, dreckige Fuhrmannskappe vom Kopf und verneigte sich vor der Königstochter.
»Verzeiht mir, junge Herrin, dass ich so laut nach Euch schreie. Ich bin ein grober Klotz, das bringt mein Amt mit sich, denn wer solch kostbare Fracht durch das Land fährt, der braucht eine harte Schale und kräftige Fäuste.«
»Gewiss«, gab sie kurz zurück, denn sie hatte wenig Lust, sich lange mit ihm aufzuhalten. »Es genügt übrigens, wenn du meinen eigenen Namen rufst, den Namen meiner Mutter zu nennen, ist überflüssig.«
Er zog die buschigen grauen Augenbrauen zusammen, als ginge ihm etwas gegen den Strich, und sie fürchtete schon, er würde jetzt laut lospoltern. Doch er nahm sich zusammen und sprach in ruhigem Ton.
»Etain ist aber doch Eure Mutter, junge Herrin. Es ist ein schöner Name, der einst in hohem Ansehen stand, und eine Schande ist es, ihn nicht mehr zu nennen.«
Tief in ihrem Herzen musste sie ihm Recht geben. Aber sie sprach es nicht aus, denn es widerstrebte ihr, dass es gerade dieser grobschlächtige Bursche war, der so offen von ihrer Mutter redete.
»Wenn du ein Anliegen an mich hast, dann sagt es«, meinte sie stattdessen ungeduldig.
Es war schade, die knappe Freizeit mit diesem Menschen zu vertrödeln, sie hätte rasch in die Halle laufen können, um mit Baldin und Machas Bruder zu schwatzen.
»Ein Anliegen kann man es nicht nennen, junge Herrin«, sagte er und dämpfte die Stimme so weit es ihm möglich war. »Da ist etwas, das ich Euch anvertrauen möchte. Euch allein. Und nur Eurem Vater sollt ihr die Nachricht weitersagen – er muss entscheiden, was zu tun ist.«
Jetzt wurde sie neugierig, denn seine Worte klangen bedeutungsvoll. Donn hatte häufig lange Gespräche mit ihrem Vater geführt, vielleicht steckte in diesem ungehobelten Fuhrmann doch mehr, als man vermuten konnte. Außerdem gefiel es ihr, dass er seine Botschaft an sie und nicht an die Königin richtete.
»Rede – ich werde mit niemandem außer meinem Vater über deine Nachricht sprechen.«
»Nicht hier!«
Er zog sie ein Stück beiseite in eine Mauernische, die für den Wächter
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