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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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kann.«
    Sie gab die kauernde Haltung auf und streckte die Beine unter der Decke aus, denn sie wollte nicht wie ein ängstliches Hühnchen vor ihm hocken. Stattdessen setzte sie sich im Bett auf, schob sich die Polster in den Rücken und blickte ihn dann hoheitsvoll an
    »Also gut. Ich nehme deine Dienste an, Rabe.«
    »Dann umschließe meine Hände, wie es der Brauch ist.«
    Die Forderung überraschte sie – er wollte tatsächlich ihr Lehnsmann sein und die übliche Zeremonie vollziehen. Immerhin war er ein Rabe – aber zugleich auch ein Mann. Ein ungewöhnlich anziehender Mann, der die Augen und das Gemüt eines Raben hatte.
    Bevor sie noch etwas sagen konnte, war er an ihrem Lager niedergekniet, neigte sich über sie und hielt ihr die zusammengelegten Hände hin. Seine Finger waren schlank und doch kräftig, die Handoberflächen wie schimmernde Bronze im Licht des Mondes.
    Zaghaft legte sie ihre Hände um die seinen und war überrascht von der Wärme, die sie ausstrahlten. Sie glaubte sogar, seinen raschen Puls wahrzunehmen. Ein Schauder ergriff sie, denn ihr schien, als erfülle dieses rasche Pochen ihren ganzen Leib und ließe ihr Herz eiliger schlagen. Er beugte sich tiefer herab, bis seine Lippen fast ihre Hände berührten, zitternd erwartete sie den Kuss, den der Lehnsmann seiner Herrin schuldete, doch in diesem Augenblick zuckte eine Flamme auf. Gleißend wie ein Blitz durchfuhr sie den Raum, züngelte über ihr Lager, fraß sich in ihren Körper und ließ sie aufschreien vor Schrecken und Schmerz.
    Schwarz war die Nacht, der Mond verdunkelte sich, die Sterne schwanden. Die Schwingen des Raben rauschten gewaltig wie ein Sturmwind, als er durch das Fenster in den Himmel aufstieg.

Kapitel 5
    Am Morgen, noch vor dem Aufwachen, durchströmte sie ein ungeheures Glücksgefühl, so als gäbe es ein helles Licht in ihrem Inneren, das ihren Körper mit Wärme und ihr Herz mit angenehmen Empfindungen füllte. Lange währte das schöne Gefühl leider nicht, denn als sie sich im Bett aufsetzte, stellte sie fest, dass das Morgenlicht trübe war und zusätzlich dicke Regentropfen gegen Fenster und Mauern klatschten.
    Eines der Fenster stand einen Spalt offen, so dass das Wasser an den bunten Scheiben entlanglief und auf das steinerne Sims tropfte. Es schien schon eine ganze Weile zu regnen, denn auf dem Fenstersims hatte sich eine Pfütze gebildet, aus der ein schmales Rinnsal hinab auf die hölzerne Truhe floss.
    Hastig sprang sie vom Lager auf und rückte die Truhe beiseite, denn das Regenwasser würde das Holz aufquellen lassen und vielleicht sogar ins Innere der Truhe eindringen, wo ihre schönen Gewänder, Tücher und Gürtel aufbewahrt wurden. Unwillkürlich suchten ihre Augen dann den Fußboden ab. Doch außer ihren Schuhen, einer länglichen Haarspange aus Horn und einem kleinen Kissen, das aus ihrem Bett gefallen war, konnte sie nichts weiter entdecken. Keine Federn. Der Rabe hatte sein schwarzes Kleid mit sich fortgenommen.
    Fröstelnd stand sie und zog das Fenster ein wenig weiter auf. Ein kühler, feuchter Hauch wehte ihr entgegen, Regentropfen nässten ihr Gesicht und das Hemd. Draußen war es so dunstig, dass man kaum das Torgebäude erkennen konnte, die hügelige Landschaft, die Dörfchen und kleinen Wälder – alles war wie ausgelöscht. Die Burg schien eine Inselfestung in einem Meer aus grauem Nebel zu sein. Ihr Herz klopfte unruhig, als sie feststellte, dass auf dem Dach des Torgebäudes kein einziger schwarzer Vogel zu sehen war. Waren sie vor dem Regen geflüchtet und hockten irgendwo in einer Mauernische, unter dichtem Gebüsch, vielleicht sogar in den Stallfenstern, die keine Gläser, sondern nur Gitterstäbe hatten? Oder waren die dunklen Gesellen am Ende davongeflogen, ihren Artgenossen hinterher, die mit dem Heer ihres Vaters nach Norden gezogen waren?
    Die glückselige Stimmung war endgültig verflogen – stattdessen empfand sie eine tiefe Niedergeschlagenheit. Alles war trist und feucht, kein Sonnenschein erhellte den Tag, und zu allem Überfluss stiegen jetzt noch schwarze Rauchschwaden aus der Küche auf. Die Burg belebte sich, eine junge Magd lief mit einem hölzernen Eimer zum Burgbrunnen, sie hatte ein Tuch um Kopf und Oberkörper geschlungen, um sich vor dem Regen zu schützen. Drüben neben dem Schweinepfuhl schüttelte einer der Hunde das nasse Fell, und die beiden Torwächter mühten sich keuchend, den schweren Querbalken zu heben, um das Tor zu öffnen.
    Wie passte diese

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