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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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geschäftige, trübsinnige Wirklichkeit zu ihrem nächtlichen Erlebnis? Gar nicht. Jetzt, da sie den stinkigen Küchenrauch atmete, beschlich sie das Gefühl, einfach nur geträumt zu haben. Wenn es so war, dann war dieser Traum schöner gewesen als alles, was sie bisher erlebt hatte, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dorthin zurückzukehren.
    Nachdenklich besah sie ihre Hände, glaubte noch einmal die Konturen der männlichen Finger zu spüren, die sie umfasst hatten, und auch der heiße Schmerz war plötzlich wieder da. Hatte er ihre Hände geküsst? Doch die Handrücken waren glatt und wiesen keine einzige gerötete Stelle auf.
    »Welch ein scheußliches Wetter«, begrüßte sie Macha. »Schließ das Fenster, Mädchen, es regnet ja herein. Da werdet ihr heute bei Kerzenschein sitzen müssen, um den Wandteppich zu sticken …«
    Sie stockte und kniff die Lippen zusammen, ärgerlich auf sich selbst, denn sie wusste doch, wie ungern die junge Herrin die Sticknadel führte.
    »Gibt es Nachrichten von meinem Vater?«
    Macha stellte den Eimer ab und goss das warme Waschwasser vorsichtig in die Schüssel. Dieses Mal fügte sie Rosenblätter hinzu, doch ihr Duft war kaum wahrnehmbar, allzu sehr hatten die scharfen Dünste des Küchenfeuers den Raum durchdrungen.
    »Noch nichts, Mädchen. Aber sie sind ja auch erst gestern davongezogen – ganz sicher werden wir spätestens morgen oder übermorgen Botschaft erhalten.«
    Alina zog sich das Hemd vom Körper, tauchte ein weiches Tuch in die Schüssel und begann, sich zu waschen. Es war eine gewohnte Handlung, seit ihrer Kindheit wusch sie sich auf diese Weise, wie es alle Frauen hier in der Burg taten. Nur die Königin besaß eine hölzerne Wanne, die ihre Mägde täglich mit duftendem Kräutersud füllen mussten, damit die Herrin ihren kostbaren Leib baden konnte. Schöner wurde sie davon nicht, auch wenn sie sich – das hatte Macha ihr erzählt – nach dem Bad mit allerlei Ölen und Tinkturen salbte.
    Heute empfand Alina eine seltsame Scham, als sie völlig nackt im Gemach stand und die Wassertröpfchen an ihrem Körper hinabperlten. Lag es daran, dass sie die Blicke des Raben erinnerte, die so eindringlich über sie hinweggeglitten waren, dass sie sie wie eine Berührung zu spüren glaubte? Ein Tropfen rollte kitzelnd über ihren Hals, fand den Weg zwischen ihren Brüsten hindurch, kullerte über ihren Bauch, um sich im goldfarbigen Flor zwischen ihren Schenkeln zu verlieren. Sie erschauerte und beeilte sich, die glitzernde Spur auf ihrer Haut mit dem feuchten Tuch wegzuwischen.
    »Du bist schön, Mädchen«, murmelte Macha, die hinter ihr stand, um ihr den Rücken zu waschen. »Keine hier in der Burg kann sich mit dir vergleichen. Wie hell deine Haut schimmert, als sei sie aus weißem Silber gemacht. Nimm einmal das Haar hoch, sonst kann ich hier nichts ausrichten …«
    Gehorsam fasste sie das dichte Haar mit zwei Händen zusammen und hielt es in die Höhe. War ihr Körper schön? Sie hatte noch nie darüber nachgedacht, bisher hatte sie geglaubt, die bewundernden Blicke der Ritter hätten allein ihrem rotgoldenen Haar und ihrem hübschen Gesicht gegolten. Ihr Busen war ihr immer klein erschienen, die Hüften schmal, die Taille zu zierlich. Hieß es nicht, dass Männer die vollen Brüste und die breiten Hüften der Frauen liebten?
    »Dein Leib ist vollkommen – zart und zugleich voller Anmut. Nicht so wie die anderen Frauen, die hängende Brüste, fleckige Haut und feiste Schenkel haben.«, fuhr Macha murmelnd fort. »Aber deine Augen – die finden nicht ihresgleichen im ganzen Königreich, denn du hast sie von deiner Mutter geerbt.«
    Macha schien weniger mit ihrem Schützling, als mit sich selbst zu reden, es klang fast trotzig, so als müsse sie ihren Liebling gegen böse Reden verteidigen. Alina hatte jedoch heute wenig Sinn für solches Lob, sie trocknete sich hastig ab und hatte es eilig, in Hemd und Gewänder zu schlüpfen.
    Als Macha mit dem Waschwasser hinausgegangen war, lief Alina rasch aus dem Gemach, um wenigstens eine kurze Zeit der Freiheit zu genießen, vielleicht sogar in den Stall zu laufen, um Niam zu besuchen oder mit dem Gesinde des Königs zu schwatzen. Ganz sicher würde der unermüdliche Ogyn sie bald zu sich rufen lassen.
    Der Regen wollte nicht aufhören, dichte Schleier aus grauen Tröpfchen wehten über den Hof, Hühner und Hunde hatten sich unter vorspringenden Dächern halbwegs trockene Plätze gesucht, nur die Schweine

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