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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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den Steinstufen. Als er die Küchenpforte aufriss, hörte man die Mägde vor Entzücken kreischen.
    Alina blieb in der Nische stehen, lehnte den Rücken gegen die Mauer und verspürte jetzt keinerlei Lust mehr, mit dem Gesinde in der Halle zu schwatzen. Angstvoll überdachte sie, was sie soeben gehört hatte. Wenn diese scheußlichen Kreaturen tatsächlich gemeinsam mit den Wolfskriegern gegen ihren Vater kämpfen würden – wie wollte er sie dann besiegen? Hatte Donn nicht soeben erzählt, dass sogar ein frisch geschlüpfter Drache schon Feuer spucken konnte? Wie entsetzlich mochte dann erst ein ausgewachsener Drache sein?
    Aber nein – sie sorgte sich umsonst. Schon damals, vor zwanzig Jahren, hatte König Angus die Wolfskrieger samt ihren fliegenden Helfern besiegt. Das würde ihm auch jetzt wieder gelingen. Zumal es gar nicht sicher war, dass diese widerlichen Missgeburten sich den Wolfskriegern als Helfer verdingen würden. Vielleicht hatten sie ja genug davon, sich abschlachten zu lassen? Vielleicht flogen sie weit über die Berge davon? Dorthin, wo die Erdenscheibe in die Endlosigkeit abbrach, und der schwarze Abgrund auf sie wartete.
    Ogyn ließ sie erst kurz vor Mittag hinauf in die Studierkammer rufen, er schien schlecht gelaunt, und die Tatsache, dass man wegen des trüben Regenwetters die Lampen entzünden musste, besserte seine Stimmung keineswegs. Ogyn hatte schwache Augen, im Dämmerlicht war er sogar blind wie ein Maulwurf.
    Der Unterricht war heute gar nicht so übel, denn er berichtete ihr von der Eisengewinnung am Roten Fels, und wäre sie nicht so sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt gewesen, dann hätte ihr Lehrer wohl zum ersten Mal ihre Neugier geweckt. Doch Ogyn hatte kaum begonnen, da erschien der kleine Baldin, um Alina zur Königin zu rufen.
    Ein Streit entspann sich, der Alina wütend machte, denn er wurde auf dem Rücken des armen Pagen ausgetragen. Baldin erhielt von Ogyn eine Maulschelle und wurde zu Nessa zurückgeschickt, denn die Königstochter habe ihre Studien noch nicht beendet. Gleich darauf erschien der Kleine jedoch wieder, und da nun seine beiden Wangen unnatürlich glühten, war leicht zu erraten, dass auch Nessa ihre Ansprüche geltend machte. Alina habe auf der Stelle im Frauengemach zu erscheinen, käme sie nicht, dann habe Ogyn sie heute das letzte Mal unterrichtet.
    Nessa war Königin und Burgherrin. In Abwesenheit des Königs hatte sie alle Gewalt in ihren Händen, wenn sie wollte, konnte sie Ogyn bis zur Rückkehr des Königs in den Kerker sperren lassen. Auch wenn der König ihn nach seiner Rückkehr gewiss aus seiner Haft erlösen und in seine Befugnisse wieder einsetzen würde, so sah Ogyn doch ein, dass ein Aufenthalt in dem feuchten, dreckigen Loch weder seinem Ansehen beim Gesinde noch seiner Gesundheit zuträglich sein würde. Er gab nach, und Alina verbrachte den Rest des Tages im Frauengemach, wo sie sich mit Fleiß bemühte, die Nadel so schlecht wie möglich zu führen. Sie stickte die Schwerter grün, die Pferde violett, und besonders stolz war sie auf die zahlreichen Knötchen, die in den roten Gesichtern der Kämpfer wie dicke Warzen prangten.
    Erst gegen Abend hörte der Regen auf, doch der Himmel blieb grau und von dichten Wolken verhangen, und auch die Nebel rings um die Burg hoben sich nicht. Alina erklärte ihrer Magd, vom Sticken todmüde zu sein, nahm nur wenig Speise zu sich und ging früh zu Bett.
    »Du wirst mir doch nicht krank werden, Mädchen?«, sorgte sich Macha und verriegelte sorgfältig die Fenster, damit keine Zugluft ihren Liebling in der Nacht traf.
    »Nein. Nur zu Tode gelangweilt!«
    »Es wird Zeit, dass dein Vater zurückkehrt – er wird dafür sorgen, dass du wichtigere Dinge lernst, als Teppiche zu sticken. Eine Burgherrin muss klug haushalten und vieles im Voraus bedenken, doch Nessa will dich diese Kunst nicht lehren, weil sie die Herrschaft nicht abgeben will.«
    »Da hast du sicher Recht, Macha«, sagte Alina und gähnte herzhaft.
    In Wirklichkeit war sie überhaupt nicht müde, sondern so aufgeregt wie selten in ihrem Leben. Jetzt, da draußen die Dämmerung fiel und das Leben auf der Burg leiser wurde, um schließlich ganz zu ersterben, jetzt war sie sich wieder ganz sicher. Der seltsame Besucher war kein Traum gewesen, sondern war Wirklichkeit. Wenn auch eine andere Wirklichkeit als jene, die sie tagsüber umgab.
    Als Macha endlich ihr Schlafgemach verlassen hatte, um sich im Flur auf ihren Strohsack zu legen,

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