Schattengefährte
Mundwinkel. Wollte er sich lustig machen? Oder führte er etwas im Schilde?
»Du hast versprochen, mein Vasall zu sein«, wandte sie ein und zog die bloßen Füße ein wenig höher. »Seit wann stellt ein Vasall seiner Herrin Bedingungen?«
»Auch ein Vasall erhält hin und wieder Geschenke und Privilegien, vor allem dann, wenn er seiner Herrin treu gedient hat.«
Er war listig wie ein Rabe! Eigentlich hätte sie diese Forderung von sich weisen müssen, doch sie war zu neugierig auf dieses Spiel.
»Was für eine Bedingung?«
Er hatte ein hellblaues Band entdeckt, das wohl aus ihrem
Haar geglitten war, und führte es mit dem Finger in sanften Schlangenlinien über die Bettdecke.
»Zum Lohn für meine Dienste begehre ich dein Haar, deine weiße Haut und deine farbigen Augen.«
Es sagte es in scherzhaftem Ton, doch Alina erstarrte vor Entsetzen und war kurz davor, nach Macha zu rufen. Er war ein Rabe, ein brutaler Mörder, ein grauenhafter Aasfresser.
»Nicht so, wie du glaubst«, fuhr er eilig fort. »Ich möchte diese Dinge mit meinen Lippen berühren. Nur für einen kleinen Augenblick und nicht länger, als du es mir gestattest.«
»Auf keinen Fall«, sagte sie, immer noch gelähmt vor Schrecken. »Du hast mich letzte Nacht fast verbrannt, als dein Mund sich meinen Fingern näherte.«
Er seufzte tief und erklärte, dass er diesen Fehler so sehr bedaure wie kaum etwas anderes in seinem Leben. Im Übrigen sei diese Flamme von ihr aus gegangen, denn sie trüge rotgoldene Glut in ihrem Haar, auch er habe sich versengt.
»Meine Berührung wird so sanft sein, dass du sie kaum spüren wirst«, versicherte er. »Kühl wie das Mondlicht und zart wie ein seidenes Tuch.«
»Und wenn ich mich weigere?«
Er schwieg und blickte bekümmert vor sich hin auf die Bettdecke, fast schien es ihr, als ließe er traurig die Flügel hängen. Immerhin hatte er versprochen, sie nicht länger mit seinen Lippen zu berühren, als sie selbst es wollte. Also hatte sie es doch in der Hand.
»Na schön«, gab sie mit einem ärgerlichen Seufzer zu. »Aber zuerst meine Fragen.«
Er senkte den Kopf, so dass der Lampenschein auf sein dichtes schwarzes Haar fiel, und es schien plötzlich vielfarbige Fünkchen zu sprühen. Als er wieder zu ihr aufsah, lag verhaltener Triumph in seinem Blick, und sein Lächeln war voll gespannter Erwartung.
»Du fragtest nach den Drachen, meine schöne Herrin. Es ist kein angenehmes Thema, denn sie sind scheußliche Kreaturen, vor denen man sich in Acht nehmen muss. Am einfachsten hat man es noch mit den großen Burschen, die liegen irgendwo in einer Felsenhöhle, faul und unbeweglich, ihre Leiber mit Hornschuppen gepanzert, und meist sind sie schon zu fett, um noch fliegen zu können. Nur selten spucken sie Feuer, wenn sie es aber tun, dann bebt die Erde und die Felsen bersten. Da gibt es aber die kleineren Biester, nicht viel größer als ein Mensch, doch die aufgespannten Flügel übertreffen ihre Körperlänge um das Zehnfache. Geschickte Gleiter sind sie und ihre Zähne scharf wie Reihen geschliffener Messer. Kommt ein Mensch ihrem feurigen Atem zu nahe, so verbrennt ein einziger Hauch ihn zu einem Häufchen Asche.«
Mit wachsendem Entsetzen hatte sie seinem Bericht zugehört. Sagte er die Wahrheit? Der alte Recke hatte doch erzählt, man sei mit den Drachen fertiggewor-den.
»Es gibt aber doch Mittel, sie zu besiegen, oder?«
Fandurs Miene war ernst geworden und seine Augen schmal. Es war offensichtlich, dass er sein Wissen nicht allzu gern preisgab. Einen Moment zögerte er, blickte abschätzend zu ihr hinüber, als müsse er die Worte sorgfältig abwägen, dann aber sprach er weiter.
»Ein Mensch kann solch eine Kreatur nur schwer überwinden. Höchstens dann, wenn er sie im Schlaf überrascht, oder wenn sie schon verwundet wurde. Nur ein Zwischenwesen kann einem Drachen gleich zu gleich gegenübertreten.«
Sie hatte es gewusst. Ogyns Lügen, das Schweigen ihres Vaters – das alles diente nur dazu, die Wahrheit vor ihr zu verbergen. Ihre Finger, die das Schultertuch vor der Brust zusammenhielten, wurden plötzlich kalt und zitterten.
»Was für Zwischenwesen? Rabenkrieger? Oder gibt es noch andere?«
Er stieß einen tiefen, unwilligen Seufzer aus und fuhr sich über das gesträubte, dunkle Haar. Die weiße Strähne hinter seinem Ohr leuchtete.
»Ein Rabenkrieger hätte wohl Mittel, gegen einen Drachen zu kämpfen. Aber auch ein Zwerg, der Schwerter schmieden kann, die niemals schmelzen,
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