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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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dann musste man sich vor ihm in Acht nehmen, denn er war grausam und ungerecht im Zorn.
    Alina flüchtete in ihr Schlafgemach, verzweifelt darüber, dass dieses Gespräch, auf das sie so gehofft hatte, nun ganz unglücklich ausgegangen war. Ihr Vater verschloss die Augen vor der drohenden Gefahr. Schlimmer noch: Er wollte sie verheiraten, damit einer seiner Ritter zum König wurde. Hatte König Angus insgeheim den Wunsch, die Verantwortung für einen aussichtslosen Kampf von sich zu schieben? Aber er hatte doch auch gesagt, dass er kämpfen würde, solange er die Kraft dazu hatte …
    »Da hast du etwas angerichtet, Mädchen«, jammerte die alte Macha. »Rühr dich nur nicht aus deinem Gemach heraus, sonst lässt er dich in seinem Zorn noch in den Turm sperren. Der arme Ogyn sitzt tief unten im Kerker und sieht weder Sonne noch Mond.«
    Alinas Mitleid mit Ogyn war nicht allzu groß, schließlich hatte er sie wochenlang mit Lügen abgespeist. Gewiss – es war auf Befehl ihres Vaters geschehen, aber Ogyn hatte sich gewissenlos darauf eingelassen. Er war ein Gelehrter und hätte ihr viele Dinge erklären können, die sie so brennend gern gewusst hätte, aber er hatte sie an der Nase herumgeführt, weil er ein Feigling und ein Speichellecker war.
    Macha berichtete, dass der König alle Burgbewohner in die Halle befohlen hatte, wo er angesichts der toten Kämpfer eine flammende Rede hielt. Ihr Opfer sei nicht umsonst gewesen, für jeden Erschlagenen würden Hundert Wolfskrieger ihr Leben lassen, darauf wolle er hier vor allen seinen Getreuen einen Eid ablegen.
    »Sie haben mit gesenkten Köpfen zugehört, niemand durfte ein trauriges Gesicht machen oder gar Tränen vergießen. Als er seine Rede beendet hatte, trat eine große Stille ein. Es war Nemed, Nessas Bruder, der einen lauten Jubelruf ausstieß, und auch Nessa fiel in sein Geschrei ein. Da wussten alle, dass sie jetzt Freude heucheln mussten, und das taten sie aus Angst vor dem König. Auch wenn ihnen nicht danach zumute war.«
    Macha hatte ihr ein grobes braunes Tuch mitgebracht und warf es mit einer ärgerlichen Bewegung auf den Hocker. Nessa hatte es ihr gegeben, König Angus wünschte, dass seine Tochter von nun an ihr Haar verhüllen solle.
    »Es wird nicht lange dauern, Mädchen«, tröstete die Alte ihren Schützling. »Wir wissen ja, dass der Zorn deines Vaters rasch verraucht.«
    Doch dieses Mal schien das Toben des Herrschers länger anzuhalten. Bis zum Abend hörte man ihn Befehle schreien, seine Stimme war heiser geworden, doch sie klang deshalb nur umso furchterregender. Knechte und Pagen wurden mit Schlägen gestraft, Mägde huschten verängstigt durch die Gemächer, und Nessa nutzte die Lage, um jene ihrer Frauen, die so unklug gewesen waren, lobende Worte über die Königstochter zu sagen, mit boshaften Schmähungen zu überhäufen. Nessa war die Gewinnerin dieses Tages, denn der König nannte sie seine einzige Getreue und beschenkte sie mit allem, was sie sich wünschte.
    Alina verbrachte den Nachmittag in tiefer Niedergeschlagenheit. Es war nicht der Zorn ihres Vaters und sein Starrsinn, die sie am meisten quälten. Es war die Enttäuschung. Bisher war sie fest davon überzeugt gewesen, dass ihr Vater trotz seiner Absonderlichkeiten ein gütiger und kluger Herrscher war. Nun aber schien er sich vollkommen verändert zu haben, und sie fragte sich, ob sie ihn jemals wirklich gekannt hatte. Was sollte nun werden? Sie wusste es nicht.
    Erst als die Dämmerung fiel, kehrte Ruhe in der Burg ein, und Macha brachte die Nachricht, König Angus habe sich mit Nessa in sein Schlafgemach zurückgezogen.
    »Wer weiß, welche Zugeständnisse sie sich nun von ihm erwirbt«, knurrte die Alte, während sie Alinas Bett aufschüttelte. »Er ist schwach, und die Liebe wird ihn noch schwächer machen.«
    Nemed – schoss es Alina in den Sinn. Seit langem schon versuchte Nessa dem König ihren widerlichen Bruder Nemed als Schwiegersohn schmackhaft zu machen. Doch bisher hatte sie damit wenig Erfolg gehabt, denn Angus mochte Nemed nicht.
    Die Nacht war hell, denn der Mond hatte sich gerundet. Wie ein glänzender König stand er über der Burg, umgeben von unzähligen seiner Getreuen, große und kleine, solche, die vor Eifer funkelten und andere, die still vor sich hinglühten. Es waren ihrer so viele, dass sie das ganze nächtliche Firmament einnahmen, etliche von ihnen aber waren zur Erde hinabgestiegen, sie glänzten in den Zweigen der Ebereschen, blinkten auf den

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