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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Zittern zog sie mit gewohnter Bewegung einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn an und spürte, wie sich das Ende des Pfeils genau in die goldene Sehne setzte. Geduldig wartete sie, bis die geflügelten Gegner näher heranschwebten, sich von dem unter ihnen reitenden Heer lösten, einen Aufwind nutzten, um mehr Höhe zu gewinnen und gleich einer schwarzen Wolke zur Burg herüberzogen. Es waren viele, ihre eckigen Flügel stießen im Flug gegeneinander, die langen Hälse bogen sich, sie geiferten gegeneinander, bissen aufeinander ein, denn jeder wollte als Erster seinen Feuerhauch über die Burg spucken.
    Alina hatte keine Ahnung, welche Reichweite der Bogen ihrer Mutter hatte, doch sie spannte die goldene Sehne, suchte sich ihr Opfer aus und – wartete. Noch nicht … immer noch nicht … noch ein kleines Weilchen Geduld …
    »Schieß doch«, flüsterte Angus. »Gleich haben sie die Burg erreicht, dann ist es zu spät …«
    »Jetzt«, sagte eine leise Stimme, die nur Alina vernehmen konnte, denn es war die Stimme der Feen in ihr.
    Die Sehne schnellte vor, der Pfeil durchschnitt die Luft gleich einem hell gefiederten Blitz, bohrte sich in den ungeschützten Leib des Drachen, und sie hörten seinen Todesschrei.
    Nichts war mit diesem entsetzlichen Geräusch zu vergleichen, kein Mensch, kein Tier konnte solch einen grauenhaften Schrei ausstoßen. Hell wie Trompetenschall war der Ruf des sterbenden Drachens, er ließ die Erde erzittern und drang wie ein Messer ins Mark, Mordlust und Zerstörungswut lag darin, und zugleich war er vom Jammer des Todes erfüllt.
    Der Leib des Untiers krümmte sich, und man sah, wie die breiten Krallenfüße sich öffneten und schlossen, als wollten sie sich in den Körper eines Gegners schlagen. Der Schlangenhals vollführte wilde Drehungen, schwang im Schmerz hin und her, dann schienen die Flügelknochen des Drachens zu brechen, und während er vom Himmel stürzte, flatterten die schwarzen Häute kraftlos im Luftstrom. Dumpf schlug der schwere Körper dicht vor dem Burggraben auf den Erdboden, eine rote Flamme stach aus dem Maul des sterbenden Wesens und setzte seinen Kadaver in Brand.
    Alina sah nichts davon, sie hatte längst den nächsten Pfeil angelegt, und auch dieses weiße Elfengeschoss bohrte sich in den Leib eines Drachens. Das Geschrei der sterbenden Flugechsen erfüllte die Luft, immer mehr schwarze Untiere stürzten vom Himmel, denn keiner von Alinas Pfeilen verfehlte sein Ziel. Das dunkle Geschwader geriet in Unordnung, denn die Todesrufe erschreckten die anderen Drachen, manche drehten nach Westen ab und wandten sich dem steinernen Meer zu, andere jedoch schwebten mordgierig über der Burg, aufgestachelt durch den Tod der Genossen und wütend entschlossen, Rache zu nehmen.
    Feuerblitze züngelten gegen den Turm, trafen die Zinnen und streiften das Dach des hohen Wohngebäudes. Alina spürte, wie ihre Kraft erlahmte, nur noch wenige Pfeile waren im Köcher geblieben, und ihr Vater, der wie ein Schutzschild vor ihr stand, war bisher nur mit knapper Not den Feuerzungen entgangen. Da plötzlich erhielt sie Hilfe, mit der sie niemals gerechnet hätte.
    Die Raben, die sonst so eifrig um die Burg flatterten, hatten sich vor den gewaltigen Drachen verborgen, scheinbar ängstlich hockten sie in Mauernischen, in den Türmen und auf den Wehrgängen. Jetzt aber vernahm man ihr zorniges Schnarren, sie sammelten sich zu einem dichten Schwarm, stiegen auf in den bewegten Himmel und griffen die viel größeren Drachen an. Zorniges Krächzen und schrille Kampfrufe wurden hörbar, ohne sich um den feurigen Hauch der Drachen zu kümmern, stießen die Raben mit spitzen Schnäbeln zu, wichen den geifernden Drachenköpfen geschickt aus und griffen erneut an. Wie lästige Mücken umschwirrten sie die großen Untiere, durchstachen listig deren empfindliche Flughäute, hackten ihnen in Füße und Hälse und schienen großen Spaß daran zu haben, die schwarzen Flugechsen zu plagen.
    Als Alinas letzter Pfeil sein Opfer getroffen hatte, drehten die übrigen Drachen ab, ließen ihre Bundesgenossen, die Wolfskrieger, im Stich und wandten sich gen Westen, dem steinernen Meer zu. Mit höhnischem Gezeter folgte ihnen die Schar der Raben, sie umflatterten die Fliehenden, kniffen ihnen boshaft in Schwänze und Flügelhäute und zeigten deutlich, wie überlegen ihre Flugkünste waren.
    Jetzt, da die Feinde in die Flucht geschlagen waren, verspürte Alina tiefstes Entsetzen und eine ungeheure Erschöpfung. Ihre

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