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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Schrei des Siegers, der dem sterbenden Gegner den Dolch ins Herz stößt. War das ihr Fandur, ihr zärtlicher Begleiter, der sie auf seinen Flügeln durch die Nacht getragen hatte?
    Ihr Vater und alle übrigen Männer in der Halle schienen durch diesen Ton jedoch wie verwandelt, ihre Augen blitzten, ihre Gesichter belebten sich, sie nahmen die Schultern zurück und richteten sich empor. Wie ein Rausch überkam sie plötzlich die Begierde zu kämpfen, sie lächelten, als hätten sie ihre Gegner bereits in den Staub getreten und richteten ihre Augen voller Begeisterung auf den Fremden, der solch ein Wunder mit wenigen Sätzen in ihnen bewirkt hatte.
    Der schwarze Kampfgefährte schien sich seiner Macht sicher zu sein, denn er achtete kaum auf die Veränderung, die sich um ihn herum vollzog.
    »Ihr seht, Herr, dass Eure Männer bereit sind, mit mir zu ziehen. Wie steht es mit Euch?«
    »Wer auch immer Ihr seid – ich werde mit Euch siegen oder sterben«, sagte Angus, dem das Feuer der Kriegslust aus den Augen strahlte.
    Jetzt wurde der Ton des Fremden wieder sanft, wenn auch ein wenig heiser, doch er hatte nichts mehr von der Kälte des Kriegers.
    »Ich wage viel, um Euch zum Sieg zu führen, Herr«, meinte er freundlich. »Doch erwarte ich von Euch dafür eine kleine Gefälligkeit. Sagen wir, den Lohn, den sich ein treuer Vasall von seinem Herrn erhoffen darf.«
    »Fordert von mir, was immer Ihr wollt – ich will es Euch gewähren.«
    Alina sah die dunklen Rabenaugen aufblitzen, und sie erzitterte. Hatte sie diese Worte nicht schon einmal irgendwo gehört? Ein Zauberer war er, der gewitzte Rabe, er konnte berauschen, die Sinne verwirren, gab sich harmlos wie ein guter Freund, und doch steuerte er sicher auf sein Ziel hin.
    »Euer Wort, Herr, ist mir genug«, erwiderte Fandur zufrieden, und er verneigte sich vor Alinas Vater.

Kapitel 15
    Von diesem Moment an war es Fandur, der Rabenkrieger, der die Herrschaft in der Burg ausübte. Seine Befehle waren knapp und klar, niemand wagte es, sich ihnen zu widersetzen. Alle Männer und Knaben, die kämpfen konnten, hatten sich zu rüsten, Frauen und Mägde jedoch postierte er auf den Wehrgängen, wo sie Steine und brennende Hölzer auf die Feinde hinabwerfen sollten. Nur wenige der adeligen Frauen, darunter Nessa und Alina, mussten auf den hohen Turm steigen, um von dort aus den Kampf zu beobachten.
    »In den Tod wird er sie alle führen«, schalt Nessa, die sich ein breites Tuch zum Schutz gegen den Wind umgelegt hatte. »Schaut doch hinunter in den Burghof – was für eine elende Truppe von Knaben und Greisen! Die Knechte hat er mit Stöcken und Äxten ausgerüstet, sie tragen nicht einmal eine Wehr, ein einziger Stoß mit der Lanze wird sie durchbohren.«
    Alina schwieg voller Verachtung. Nessa hatte sich noch vor kurzer Zeit Hoffnungen gemacht, an Brannos Seite Herrin eines großen Landes zu werden – kein Wunder, dass sie wütend auf den Fremden war, der die Burg verteidigen wollte. Und doch musste Alina sich eingestehen, dass die Kämpfer dort unten im Hof nicht gerade den Eindruck machten, als könnten sie gegen das große Heer der Wolfskrieger bestehen. Sie hatten nicht einmal Pferde und mussten zu Fuß kämpfen, einzig Fandur saß hoch zu Ross – es war ihm gelungen, auf Niams Rücken zu steigen. Auch ihre Stute hatte er also bezaubert, dieser schmeichlerische Rabe.
    »Er lässt das Tor öffnen – was für ein Wahnsinn!«, rief Ogyn, der sich heimlich zu den Frauen hinaufgeschlichen hatte.
    »Sie sind Futter für die hungrigen Wölfe, nichts weiter!«, fuhr er mit jämmerlicher Stimme fort. »Ein paar Stöße und Schwertstiche – dann hat das große Heer sie verschluckt.«
    »Branno wird die Burg nehmen«, zischte Nessa. »Oh, warum haben sie nicht auf meinen Bruder gehört! Nun ist es zu spät, und wir alle werden elendig sterben!«
    Was für ein Feigling dieser Ogyn war. Fast hatte Alina schon geglaubt, er habe sich verändert, doch er hatte sich in einen Frauenmantel gehüllt und eine bunte Haube aufgesetzt, damit man ihn für eine Frau halten sollte. Fandurs Kampfesrausch war vollkommen an ihm vorübergegangen – vielleicht lag es daran, dass Ogyn ein Gelehrter war.
    Asa hatte sich dicht an Alina gedrängt, als suche sie Schutz bei der Königstochter. Jetzt kniff sie die Augen zusammen, denn sie konnte in der Ferne schlecht sehen und zupfte Alina am Ärmel.
    »Was ist das?«, flüsterte sie angstvoll. »Dieser schwarze Rand, der plötzlich auf den Hügeln

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