Schattengefährte
erhob sich Fandur und erinnerte König Angus an sein Versprechen.
»Es ist die Feentochter, die ich zum Lohn begehre, König, und ich zweifle nicht, dass Ihr Euer Wort halten werdet.«
Alinas Vater hatte wohl Ähnliches erhofft, denn obgleich der fremde Ritter ihm rätselhaft erschien, so befähigte seine Kriegskunst ihn doch zu einem würdigen Nachfolger und Ehemann seiner Tochter. Allerdings hatte Angus nicht erwartet, dass es der dunkle Kampfgefährte mit seinem Antrag so eilig haben würde, man hatte ja noch nicht einmal die Speisen aufgetragen.
»Mein Kind und mein Land gebe ich gern an einen Mann, der sich als tapferer Krieger erwiesen hat«, sagte er umständlich und gab einem Knappen den Wink, seinen Becher neu zu füllen. »Dennoch will ich meine Tochter nicht ungefragt …«
Doch Fandur unterbrach ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung.
»Euer Land, König, begehre ich nicht. Ich will Alina. Sie soll mir folgen, ohne zu fragen, wohin ich sie führe, und ohne zu wissen, ob sie Euch jemals wiedersieht.«
Alina sah ihren Vater entsetzt zurückweichen, der Becher fiel aus seiner Hand, und der rote Wein breitete sich auf dem weißen Tischtuch aus. Ach, er hatte noch heute Morgen gesagt, dass er sich niemals von ihr trennen wollte – nun aber stand er im Wort.
»Ich kann nicht geben, was mir nicht gehört«, sagte Angus und wandte sich mit flehender Miene Alina zu. »Meine Tochter ist frei, sich für oder gegen einen Bewerber zu entscheiden.«
Das hatte früher etwas anders geklungen – da hatte er selbst seinen Nachfolger auswählen wollen und nicht nach ihren Wünschen gefragt. Doch sie verzieh ihm die Lüge, denn sie war aus der Not geboren. Er log, weil er sie nicht verlieren wollte.
»Dann geht meine Bitte an Euch, Alina«, hörte sie Fandurs Stimme, die jetzt sanft und betörend klang. »Habt Ihr den Mut, mir zu folgen, ohne zu fragen wohin, und ohne zu wissen, wann ihr die Heimat wiederseht?«
Alina spürte Nessas boshaftes Augenpaar, das voller Hoffnung auf sie gerichtet war. Folge ihm, sagten diese Augen. Verschwinde mit ihm und kehre niemals zu uns zurück, damit wir dich endlich los sind, du Bastard.
Ihr wurde kalt, ihre Hände schienen zu Eis gefroren, und ihr Herzschlag wollte aussetzen. So hatte sie sich das Wiedersehen mit Fandur nicht vorgestellt. Sie sollte alles verlassen, das ihr lieb und teuer war, ihren Vater, die heimatliche Burg, Macha, Fergus, Baldin und alle, die ihrem Herzen nahe waren. Auch ihre heimliche Zuflucht, die Feenquelle, an der sie die Lieder ihrer Mutter vernahm, sollte sie niemals wieder besuchen. Wie sehr hatte sie sich nach Fandur gesehnt – jetzt aber, da er vor ihr stand und sie ganz und gar für sich forderte, war sie von Angst erfüllt. Weshalb sollte sie diesem Wesen folgen, das ihr ein Rätsel war? Ein Zauberer und Schmeichler. Ein zärtlicher Begleiter. Ein grausamer Krieger. Ein schlauer Rabe. Was noch? Das war gewiss noch längst nicht alles. Was verbarg sich noch hinter seinem dunklen Federkleid und seinem gesträubten Haarschopf?
Jedes Geräusch in der Halle war erstorben, in gespanntem Schweigen sahen alle auf die Königstochter, zweifelnd und angstvoll, denn es konnte sein, dass ihre Antwort über das Schicksal des Landes entschied. Auch Fandur wartete, den Blick ernst auf Alina gerichtet, und in der samtigen Schwärze seiner Rabenaugen lag ein unausgesprochenes Flehen, das sie anrührte.
Nur für dich habe ich dies alles gewagt, denn meine Sehnsucht nach dir war unendlich groß. Lass es nicht umsonst gewesen sein.
Sie ahnte, dass sie ihn niemals wiedersehen würde, wenn sie sich ihm jetzt verweigerte. Konnte sie das ertragen? Raben würden über die Burg fliegen, über den Hügeln ihre Kreise ziehen, ihre kühnen Flugkunststücke im Wind vollführen. Sie würde auf dem Turm stehen und ihnen zusehen, warten, hoffen, solange bis sie alt und grau war. Doch Fandur würde nicht zurückkehren, ein Leben lang nicht mehr.
»Ich will Euch folgen«, sagte sie leise.
Er schloss für einen kleinen Moment die Augen, und sie begriff, welche Furcht er gehabt hatte, sie könnte ihn abweisen. Doch schon im nächsten Augenblick lachte er, hob den blauschwarzen Helm vom Kopf und alle, die in der Halle waren, starrten überrascht auf sein hübsches Gesicht und den widerspenstig gesträubten, dunklen Schopf, in dem eine einzige weiße Haarsträhne glänzte.
»Trinken wir auf den Abschied, edle Herrschaften«, rief er und hob den Becher. »Wir sind eilige
Weitere Kostenlose Bücher