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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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fassen.
    Fandur wartete schweigend, und als Alina sich schluchzend von Niam löste und sich zu ihm umdrehte, fand sie nicht mehr Fandur, den schwarz gekleideten Krieger, sondern Fandur, den Raben. Gewaltig groß erschien er ihr, denn sein Federkleid stellte sich im Wind auf, und als er seine Schwingen ausbreitete, stoben die beiden Pferde voller Entsetzen davon.
    »Komm Feenkind. Klammere dich an meinen Rücken, denn es ist höchste Zeit. Noch vor dem Morgen wirst du sicher und geborgen sein, und ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um dich glücklich zu machen.«
    Sie tat, was er verlangte, doch ohne die Begeisterung und Abenteuerlust, die sie bei ihren früheren Ritten empfunden hatte. Es war warm und weich in seinem Gefieder, sie schmiegte sich an seinen Rücken, umschlang seinen Körper mit Armen und Beinen und presste ihr Gesicht in das dichte, flaumige Federkleid. Als er sich mit kräftigen Flügelschlägen vom Boden erhob und an Höhe gewann, machte sie keinen Versuch, nach unten zu schauen, denn es würde zu sehr schmerzen, die Hügel und Felder, die Burg und auch das Haselwäldchen, in dem die Quelle der Feen sprudelte, im blassen Mondlicht entschwinden zu sehen. Sie hatte sich ihm anvertraut, besaß nichts mehr außer Kleid und Mantel – auf den Flügeln des Raben flog sie ihrem Schicksal entgegen.

Kapitel 16
    Bald brauste der Wind in ihren Ohren, er zauste das Rabengefieder und wühlte in ihrem offenen Haar. Mantel und Kleid flatterten, und sie hätte bitterlich frieren müssen, hätte der Körper des Raben sie nicht gewärmt. Fandur bewegte nur selten die Schwingen, dennoch war sein Flug unruhig, denn er nutzte den Wind, um sich hoch hinauftreiben zu lassen, schoss dann wieder pfeilschnell herab, um dann erneut aufzusteigen. Sie begriff, dass er gegen den Wind fliegen musste, und da er ein Spieler war, trieb er lieber solche Kunststücke, als sich in langsamem, stetigem Flug vor-anzukämpfen.
    Er sprach nicht mit ihr, schien ganz und gar damit beschäftigt, so rasch wie möglich voranzukommen, und sein Schweigen beunruhigte sie. Weshalb hatte er es so eilig? Fürchtete er, das Ziel nicht rechtzeitig vor Tagesanbruch zu erreichen? Weshalb? Sie dachte an die Raben, die sie damals verfolgt hatten und vor denen Fandur so hastig geflohen war. Aber waren sie denn nicht seine Kameraden? Hatten sie nicht heute sogar unter seinem Befehl gekämpft?
    Nichts wollte sich zusammenfügen – sie gab es auf, über all diese Rätsel zu grübeln und überließ sich dem Geräusch des Windes, der ohne Unterlass in ihren Ohren sang. Sein Sausen klang fast wie eine Melodie, doch nicht sanft und traurig wie die Feenlieder, sondern wie ein schrilles Heulen, unheimlich und voller Hohn.
    Flieg mit dem Wind
    In des Raben Gefieder
    Törichtes Kind
    Siehst die Heimat nicht wieder.
    Liebe wird klein
    In der Kälte der Nacht
    Das Flämmchen geht ein
    Ist der Sturm erst erwacht.
    Liebe gefriert
    Liebe verliert
    Nur Elend regiert
    Wo die Feindin wacht.
    Sie hätte sich gern die Ohren zugehalten, doch bei dem turbulenten Flug musste sie sich mit beiden Armen an den Körper des Raben anklammern, sonst hätte es leicht geschehen können, dass sie ins Bodenlose stürzte. Der Wind schien das schrille Gelächter der Hexe mit sich zu tragen, mit boshafter Kälte drang es tief in ihr Inneres und wollte sie verzweifeln lassen. Eng presste sie sich an den warmen Rabenkörper, sie spürte die harten Knochen und Sehnen der Flügelansätze, und als sie sich noch tiefer in sein Federkleid wühlte, hörte sie plötzlich sein Herz schlagen. Es schlug rasch und gleichmäßig, ein kraftvoll hämmerndes Metrum, das nach und nach alle anderen Geräusche übertönte, dumpf und doch voll pulsierenden Lebens, stark und in seiner immerwährenden Wiederholung unendlich erlösend. Sie gab sich diesem warmen, lebendigen Klopfen ganz und gar hin, es erfüllte ihren Körper und ihren Geist, besiegte das hämische Lachen der Hexe und schenkte ihr ruhige Zuversicht.
    »Ich spüre dich, meine goldhaarige Fee«, hörte sie jetzt seine weiche Stimme. »Du bist mir so nah wie nie zuvor. Fast scheint mir, wir könnten miteinander verschmelzen auf dieser Reise.«
    »Dann wäre ich wie du ein Rabe und mir würden schwarze Flügel wachsen«, scherzte sie lächelnd.
    »Oder ich würde zu einer Fee, und mein schwarzes Haar färbte sich goldfarbig.«
    »Ach nein!«, gab sie unwillig zurück. »Bleiben wir besser, was wir sind.«
    Er lachte. Es war wundervoll, die

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