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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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nicht.
    »Und wo soll dieses Reich sein? Hier mitten im Schnee oder dort unten zwischen vereisten Felsen und toten Stämmen?«
    »Der Eingang ist genau hinter uns.«
    Der Mond war schon fast untergegangen, nur ein blasser, durchsichtiger Rand war noch von ihm geblieben, der in den nächsten Minuten vom Himmel verschwunden sein würde. Es war die kurze Zeit zwischen Monduntergang und dem Erscheinen des ersten, fahlen Morgenlichts, die Zeit der Finsternis zwischen Tag und Nacht, zwischen Abschied und neuer Hoffnung.
    Sie musste ihre Feenaugen heftig anstrengen, doch dann entdeckte sie ein kleines Stück einer dunkelbraunen Mauer, die von einer überhängenden Schneewehe fast ganz verborgen war. Er hatte ihre Schultern losgelassen und etwas aus dem Schnee aufgehoben, doch da er hinter ihr blieb und sie jetzt sanft vorausschob, konnte sie nicht sehen, was es gewesen war. Vermutlich aber war es sein Federkleid, das er abgelegt hatte und jetzt mit sich nahm. Wo hatte er es vorher wohl verborgen gehabt? Unter seinem Kettenpanzer an seinem Körper?
    Beim Gehen spürte sie, dass unter dem pulvrigen Schnee harter Firn war, auch unter den überhängenden Schneeverwehungen war ewiges Eis, und doch musste es vor Zeiten möglich gewesen sein, hier Mauern zu erbauen.
    »Es waren die Menschen, die vor vielen Jahren hier eine Burg errichtet haben«, erklärte Fandur. »Doch sie konnte vor dem vorrückenden Firn nicht bestehen, und so wurde sie verlassen. Schau – hier ist der Eingang.«
    Er schritt an ihr vorbei und berührte den weiß verschneiten Fels mit ausgestrecktem Arm, da bewegte sich der Stein, und knarrend öffnete sich ihnen eine Pforte. Beide Torflügel waren ganz und gar mit Firn überzogen und nur wer scharfe Augen hatte, konnte sehen, dass unter dem dicken, schrundigen Eismantel das Holz einer Pforte verborgen war. Hinter dem Tor öffnete sich ein hoher, säulengestützter Raum ähnlich der Halle einer Burg, blaue Flämmchen glommen an verschiedenen Stellen, doch konnte Alina nicht ausmachen, was die Quelle dieser seltsamen Lichter war.
    Fandur hatte es eilig, sie ins Innere der Halle zu ziehen, dann schloss er die weißen Torflügel und legte einen Riegel vor. Sie hörte, dass er leise aufatmete. Wer auch immer dort draußen auf sie lauerte – hier schienen sie in Sicherheit zu sein.
    Trotz des Waffenrocks, den er ihr umgelegt hatte, zitterte Alina vor Kälte, und der Anblick des weiten Saales, in dem bläulich schimmernde Lichter umherirrten, konnte sie schon gar nicht wärmen. Langsam schritt sie an Fandurs Seite durch den Raum, besah voller Staunen den bunt gleißenden Schmuck der Wände, kostbare Edelsteine aus der Tiefe des Berges, die kunstverständige Hände hier zu Bildern zusammengefügt hatten. Hie und da lag ein vergessener Eimer am Boden, eine zerbrochene Schüssel, eine umgestürzte Bank – vermutlich hatten die Menschen, die einst diese Burg bewohnten, diese Dinge zurückgelassen. Das, was sie für Säulen gehalten hatte, waren dicke Eiszapfen, die von der Decke der Halle bis zum Boden herabgewachsen waren und seltsam abenteuerliche Formen bildeten. Manche waren schlank und durchsichtig wie Glas, sie schienen auf einem Postament zu stehen, als habe man sie wegen ihrer zarten Schönheit besonders hervorheben wollen, andere wieder waren unförmig, glichen einer dicken Kerze, an der das Wachs herabgelaufen war, wieder andere bargen runde, bläuliche Luftblasen, als umschlössen sie einen geheimnisvollen Kosmos in ihrem eisigen Leib.
    »Was sind das für Lichter?«
    »Meine Freunde haben sie entzündet, damit wir nicht im Dunklen gegen eine der Säulen laufen.«
    »Was für Freunde?«, fragte sie bang, denn die bläulichen Lichtlein waren ihr nicht geheuer.
    Schweigend legte er den Arm um sie, als wolle er sie durch seine Nähe beruhigen und ihre Besorgnis zerstreuen. Vor ihnen öffnete sich knarrend eine dunkle Pforte, dahinter leuchtete rötlicher Schein wie von einem Feuer. Wärme strömte auf sie zu, und Alina zitterte noch heftiger, denn das angenehme Gefühl eines beheizten Raumes ließ sie die ausgestandene Kälte noch stärker spüren. Das Gemach, in das sie nun traten, war nicht allzu groß, doch es war wohnlich eingerichtet und von einem flackernden Kamin beheizt. Schön bestickte Teppiche aus Wolle schützten vor den kalten Wänden, mehrere Truhen aus schwarzem Holz, mit silbernen Beschlägen geschmückt, standen darunter, ein Bett war bereitet, darauf lagen bunte Polster, Decken und weiche

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