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Schattengeschichten

Schattengeschichten

Titel: Schattengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Rouven
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weißt du.“
    „Darf ich jetzt baden gehen?“
    „Du darfst alles“, antworte ich mir, „Nur wir sind eingeschränkt.“
    Während die ätherischen Öle meines Bades beruhigend wirken, frage ich mich, ob mein Spiegel-Ich nur Einbildung war. Wenn Sie noch vorhin den Verdacht hatten, dass ich eigentümlich bin, so müssen Sie jetzt denken, dieser Kerl ist total verrückt. Das tue ich auch. Aber dennoch, genauso geschieht es.

    V
    Ich hoffe, dass ich am nächsten Morgen, einem Sonntag, alles vergessen habe und jene Konversationen mit mir nur weitere Hirngespinste waren. Aber schon als ich zum Zähneputzen in meinen Spiegel schaue, grüßt mich mein Ich freundlich zum Morgen.
    „Hast du gut geschlafen?“ frage ich, „Das musst du. Denn heute ist der Tag, auf den wir alle gewartet haben. Ich habe es eben gerade erfahren. Es geht los.“
    Ich ignoriere ihn, ziehe mich an und setze mich für ein paar Stunden vor meine Anlage, um mich von Jazz berieseln zu lassen. Während Miles Davis eine beeindruckende Vorstellung gibt; es ist ein Live-Konzert, auf dem er improvisiert wie ein Gott; nehme ich mir fest vor, meine Welt wieder wahrnehmen zu wollen. Das geht mir doch zu weit. Als ob ich nicht schon genug Probleme hätte. Die gelegentlichen Dialoge mit ihnen waren ja noch witzig, aber diese Befreier-Story macht mir verdammte Angst.
    Am Nachmittag bin ich verabredet. Mit John. Auf dem Hinweg erblicke ich meine Gestalt in den Bahn- und Häuserfenstern und sie lächelt mir unentwegt zu. Mein Spiegel-Ich freut sich. Für ihn und seine Artgenossen ist der große Tag gekommen.
    Ich spiele mit dem Gedanken, John von meinen Erlebnissen zu berichten, verwerfe ihn aber wieder, als ich vor seiner Tür stehe und klingele. Mein Freund begrüßt mich mit einer Umarmung. Er trägt einen Morgenmantel und wirkt insgesamt wie ein nie alternder Dandy.
    „Hey, Laslo. Wie geht´s dir, Mann? Du siehst irgendwie fertig aus. Schläfst du gut?“
    Ich winke ab und gehe in sein Wohnzimmer, an dessen rechter Wand ein Spiegel hängt.
    „Ach“, sage ich, „zu viel Arbeit, zu wenig Zeit. Das ewige Dilemma, weißt du?“
    John nickt und fragt mich, ob ich was trinken möchte. Ein Glas Wasser, antworte ich und schaue in den Spiegel. Ich nicke mir zu.
    „Jetzt ist es so weit“, sage ich und in meinen, seinen Augen flammt Euphorie auf. In diesem Augenblick kommt John zurück und stellt sich neben mich. Er lächelt uns an.
    „Na, lebst du immer noch in deiner Spiegelwelt?“
    „Ja“, antworte ich, aber es ist mein Spiegelbild, das es sagte. John fällt es nicht auf.
    „Warte noch“, sage ich und halte John an seiner Schulter fest, nehme das Glas Wasser aus seiner Hand. Ich leere es hastig und stelle es auf ein Regal ohne den Griff zu lockern.
    „So ist es gut“, sagt mein Spiegel-Ich.
    „Was ist denn mit dir los?“ fragt John und will sich aus meinem Griff befreien. Die beiden Spiegelbilder lächeln hinaus in die Welt, in der sie sein wollen. John fällt auf, dass er gar nicht lächelt.
    „Was ist hier los?“
    Und mein Griff wird fester.
    „Warte noch“, sage ich wieder und lege auch die andere Hand auf seine freie Schulter.
    „Nein“, sagt er, „Wieso kann mein Spiegelbild sprechen?“
    Meine Augen sammeln Wasser. Ich wehre mich dagegen, John weiterhin festzuhalten, aber die Kraft der Suggestion ist stärker. Sie drängen mich. Sie befehlen.
    „Lass mich los, Laslo.“
    Spiegel-John streckt seine Arme vor und meine Befürchtungen bestätigen sich. Seine Hände erreichen unsere Welt.
    „Schau mich an, John“, ruft er und ich darf meinen Freund loslassen. Meine Aufgabe ist erfüllt, das spüre ich, auch wenn ich nicht weiß, was sie davon hatten, dass ich John festhielt.
    „So ist es gut“, sagt das Spiegelbild zu ihm. Johns Augen sind weit aufgerissen. Furcht und Unverständnis zeigen sich in ihnen. Und die beiden Spiegelbilder lachen.
    „Komm zu uns“, sagen sie und Spiegel-John packt seinen Wirt. Mein Freund sagt keinen Ton. Sein Gesicht verzerrt sich bis zur Unkenntlichkeit. Es vergehen nur Sekunden und alles ist wieder vorbei. Die Hände sind verschwunden. Unsere Spiegelbilder fügen sich wieder unseren Gebärden. John lächelt.
    „Danke“, sagt er, „Und jetzt komm.“
    „Wohin?“ frage ich.
    „Das wirst du schon sehen.“
    In seinem Wagen fahren wir Straßen entlang. Ich glaube, wir sind in Winterhude, aber meine Gedanken beschäftigen sich mit anderen Fragen. Weil mein Freund neben mir sitzt, frage ich mich, ob

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