Schattengeschichten
antwortete ich, stellte ihm meinen Aschenbecher auf den Schreibtisch und setzte mich ebenfalls. Diesem Mann gegenüber zu sitzen war für mich nichts weiter als das Warten auf einen neuen Auftrag, aber ich spürte seine geschäftliche Erscheinung mit jedem Atemzug, den er tat. Jede Geste hinterließ einen Befehl, wenn er welche erteilen hätte sollen. Dieser Mann war es gewohnt, einen Betrieb zu leiten. Sich mit ihm anzulegen kam wohl Selbstmord sehr nahe. War ich froh, dass ich die Zügel in der Hand hatte. Das war mein Revier. Auch wenn der Mann es fast herablassend betrachtete, forderten ihm die Akten und die vielen Auszeichnungen an den Wänden einigen Respekt ab. Seine in Falten gelegte Stirn schien mir das zu verraten.
Und so überraschend wie sein Besuch, war auch der Monolog, den er plötzlich hielt. Ohne Vorwarnung und ohne der leisesten Andeutung, dass er mehr als zwei Sätze hintereinander zu sagen gewohnt war.
„Entschuldigten sie, dass ich unangemeldet bei ihnen erscheine, Herr Kotter, aber ihre Dienste wurden mir empfohlen und es blieb keine Zeit mehr für einen Anruf.
Mein Name ist Reinhard Eckert. Vielleicht haben sie schon von mir gehört. Aber das ist nicht wichtig. Was wichtig ist, dass meine Frau mich betrügt. Ich habe natürlich keine Beweise dafür und genau deshalb bin ich hier.
Wissen sie, in meinem Leben habe ich so manches durchgemacht, mein Vater wurde von Nazis verfolgt, meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt. Ich musste mir einen neuen Namen zulegen, ich habe Freunde sterben sehen, aber all das ist nicht so grausam wie das Wissen, dass der einzige Mensch, den ich aufrichtig liebe, mich hintergeht. Und ich hoffe inständig, dass es nur ein Phantom ist, aber meine Vorahnungen haben sich eigentlich immer bestätigt. Nehmen sie den Fall an?“
„Natürlich“, gab ich zur Antwort. Fremdgänger zu entlarven war mein Spezialgebiet.
„Ich habe nicht viel Zeit“, fuhr er fort, „Hier ist ein Umschlag, in dem alle weiteren Informationen sowie eine Anzahlung über tausend Euro enthalten sind. Alle wichtigen Adressen und Termine meiner Frau finden sie dort drin. Wenn sie sicher sind über ihren Ermittlungsstand, informierten sie mich und sie erhalten das doppelte der Anzahlung. Gibt es irgendwelche Fragen, rufen sie die Nummer an, die ich ihnen auf einen Extrazettel geschrieben habe. Sollte meine Frau mich tatsächlich betrügen, dann will ich Fotos als Beweis. Haben sie noch irgendwelche Fragen?“
Der präzise Auftrag stimmte mich gut gelaunt. So sollte jeder Kunde sein. Nichts musste ich diesem Mann aus der Nase ziehen. Herr Eckert war mir sympathisch. Und wenn seine Frau ihn tatsächlich betrog, tat er mir sogar leid.
„Ja, eine Frage habe ich tatsächlich. Wie sind sie darauf gekommen? Woher der Verdacht?“
Sein Gesicht nahm einen verbitterten Ausdruck an. Er überlegte einen Moment, wobei er mit einer Hand durch sein lichtes Haar fuhr.
„Ich habe es gerochen“, sagte er schließlich, „Ein fremdes Aftershave. Auf ihrer Haut.“
Reinhard Eckert verabschiedete sich mit einem festen Händedruck, dankte mir im voraus und verließ mein Büro so überstürzt, dass ich dachte, er wollte vor mir fliehen. Gespannt öffnete ich den Umschlag. Da meine letzten Fälle schnell gelöst waren, hatte ich die nötige Zeit, mich um diese Aufgabe zu kümmern. Und dreitausend Euro insgesamt. Er hatte nicht einmal nach meinen Konditionen gefragt. Guter Mann. Normalerweise bekam ich vierhundert bei solchen Fällen.
II
Ich fand mehrere Fotos im Umschlag, die eine Frau Mitte dreißig abbildeten. Ihr Blick war frivol in die Kamera gerichtet, das braune Haar streng zu einem Zopf gebunden. Ihr Lächeln zeigte Stolz und einen Hauch Laszivität. Auf der Rückseite stand ein Name: Hanni, wahrscheinlich für Hannelore. Ich stellte mir sie und Eckert nebeneinander vor. Es passte. Sie trugen beide dieselbe verklärte Art einer High Society zur Schau. Ich hoffte für diesen Mann, nicht für meine Geldbörse, dass sie treu geblieben war. Auf einem separaten Zettel fand ich Angaben zu Orten und Zeiten, an denen sie sich in der Woche aufhielt. Ein Bürogebäude für Werbefachfuzzis, eine Yogaschule, ein Betreuungsheim für obdachlose Jugendliche.
Die Privatnummer meines Auftraggebers steckte ich in meine Brieftasche, die Bilder in meinen Aktenkoffer. Ich nahm meine Kamera und das Fernglas und verließ mein Büro. Mein Revolver, für den ich selbstverständlich eine Lizenz besaß, steckte wie immer in
Weitere Kostenlose Bücher