Schattengeschichten
Schritt von ihr ab, hinter dem Bett stehend, und noch einen Schritt. Unsere Körper trennten weniger als ein Meter, als ich über das Bett hastete und zum Ausgang wollte. Yvonne packte mich, öffnete ihren Mund noch weiter und zielte auf den Arm, der in ihren Klauen gefangen war. Meine freie Hand ballte ich zur Faust und schlug ihr damit ins Gesicht.
Sie ließ nicht los.
Ich hielt ihre Stirn und ein Tritt in ihren Magen lockerte den Griff. Ich sprang zur Tür, riss den Schlüssel von der Innenseite und ehe sie ihren schwerfälligen Körper zu mir drehen konnte, hatte ich das Schlafzimmer hinter mir verschlossen. Mit zitternden Knien und Schweiß am Körper nahm ich das Telefon wieder auf.
„Du glaubst nicht“, keuchte ich in die Sprechmuschel, „was mir eben passiert ist.“
Keine Antwort.
„Karsten?“
Aber die Leitung war tot. Was war hier los? Ich setzte mich in meinen Sessel und achtete zum ersten Mal auf das, was im Fernsehen gezeigt wurde, denn mir fiel ein, was mein Bruder sagte. Das Poltern und Dröhnen im Schlafzimmer überdeckte ich mit dem Nikotin der Zigaretten, die ich schnell nacheinander rauchte, und der angebrochenen Flasche Wodka. Mehrere Reporterteams standen auf einer Wiese und redeten noch immer bei Wind in ihre Kameras.
„Gestern Abend hat die Hamburger und die Schleswig-Holsteiner Polizei eine ganze Horde von tollwütigen Hunden hinrichten müssen. Sie kamen von dem Anwesen, das sie hinter mir sehen. Zur Zeit können keine näheren Angaben gemacht werden über die Krankheit, die diese Bestien überkam. Aber eins ist sicher: Der Virus ist auch auf den Menschen übertragbar.“
Ich erschrak, als es an der Tür klingelte.
„Ja“, fragte ich in die Gegensprechanlage. Das Poltern und Dröhnen aus dem Schlafzimmer wurde lauter. Yvonne krächzte heiser und ich wusste, sie wollte raus.
„Ich bin´s nur“, sagte meine Exfreundin.
„Ich kann nicht. Hab´ keine Zeit.“
„Ich will nur ein paar Sachen abholen.“
„Nein“, sagte ich und beließ es dabei. Was ich als Fehler verzeichnen musste, denn ich hatte vergessen, dass Susanna noch immer einen Schlüssel zu meiner Wohnung besaß.
Ich hörte ihr Klingeln in Nachbarwohnungen und wie ihr geöffnet wurde. Nicht viel später wurde meine Haustür aufgeschlossen, die ich versuchte wieder ins Schloss zu drücken.
„Was soll das, Gernot?“ fragte sie, „Ich will nur was abholen.“
Ich ächzte. Yvonne stieß wahrscheinlich in dem Moment meine Möbel um. Jedenfalls hörte Susanna das Poltern. Ihr Gesicht lugte durch einen kleinen Spalt.
„Was war das?“ fragte sie, „Hast du Besuch?“ Sie lehnte sich nun mit ihrer ganzen Kraft gegen die Tür, während meine nachließ.
„Komm nicht rein“, sagte ich noch, aber es war zu spät. Meine Exfreundin stand mir im Flur gegenüber und hörte auf das Poltern aus dem Schlafzimmer.
„Was war das?“ fragte sie noch einmal.
Ich lächelte gequält.
„Nichts. Ich hab´ jetzt eine Katze.“
„Die stöhnt wie eine Frau?“
Ich hob die Schultern.
„Ja“, antwortete ich und stellte mich vor die Tür zum Schlafzimmer.
„Lass mich da rein sehen, Gernot“, befahl sie, „Die Sachen, die ich brauche, sind sowieso im Schlafzimmer. Was hast du eigentlich da gemacht?“ fragte sie und zeigte auf meine Wange.
„Beim Rasieren geschnitten.“
Der Unglauben stand ihr im Gesicht.
„Sicher. Und jetzt lass mich da rein, verdammt.“
Ich habe wirklich alles versucht, um Susanne vom Betreten des Schlafzimmers abzuhalten. Ich musste es unbedingt. Denn in dem Augenblick, wo mir bewusst wurde, dass sie auf Yvonne treffen konnte und womöglich Schaden nehmen, flackerte in mir ein bekanntes Gefühl wieder auf. Susanna durfte nichts zustoßen. Dafür musste ich sorgen.
Aber sie lenkte mich in einem fürchterlichen Moment ab. Susanna sagte, sie hätte gewusst, dass eine neue Frau in mein Leben getreten war. Ich lachte verzweifelt und wich zur Seite, weil ich das immer tat, wenn ich an meiner Stirn kratzte. Diese Chance nutzte sie. Mit der Schnelligkeit einer Raubkatze war sie am Schlüssel, drehte ihn zweimal herum, drückte die Klinke runter und öffnete.
Die Tür ging nach innen auf und Yvonne hatte nur gewartet heraus zu springen. Mit einem Krächzen stürzte sie sich auf meine Freundin. Beide fielen zu Boden. Ich schrie auf und packte diesen Zombie an den Schultern. Yvonne drehte sich sofort um, packte mit ihren Klauen meine Beine und wollte zubeißen, als ich ihr mit der Faust auf die
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