Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
Sonnenveranda abschließen kann!«
»Tuch aus Wolde?« rief eine Frau ganz in der Nähe. »Sprecht nicht über Tuch aus Wolde! Bei all diesen neuen Zollabgaben kann ich mir kaum noch einen neuen Reitrock leisten. Und Gold? Denkt an meine Worte, Lord Decius, bevor all dies vorüber ist, werden wir alle nur noch Glasperlen und Federn tragen.«
»Oh, welch entzückende Modeschöpfungen sich daraus entwickeln könnten«, rief ihr Begleiter.
Alec blieb weiter an Seregils Seite und stand mit einemmal den beiden Frauen gegenüber, die er im ersten Stock gesehen hatte.
»Gestattet mir, Euch einen besonders lieben Freund vorzustellen«, sagte Seregil mit der Andeutung seines typischen frechen Lächelns. »Lady Kylith, dies ist Sir Alec von Efeuquell. Sir Alec, dies sind Lady Kylith von Rhíminee und ihre Nichte, Lady Ysmay von Orutan.«
Alec verbeugte sich aufs höflichste und spürte dabei, wie seine Wangen rot anliefen. Lady Kylith’ langes Samtkleid umschmeichelte eine Figur, die trotz ihrer Jahre schlank und elegant wirkte. Wie bei den anderen anwesenden Frauen ließ es den Busen unter einem Hauch der dünnsten Seide und einem mit vielen Edelsteinen besetzten Collier nahezu unbedeckt.
»Welch glücklicher junger Mann Ihr sein müßt!« schnurrte Kylith und bedachte den Jungen mit einem tiefen Blick aus ihren dunklen Augen, der sein Herz heftiger schlagen ließ. »Unser Freund, Lord Seregil, ist einer der kultiviertesten Edelmänner unserer Stadt und wohlbewandert in den Freuden, die Rhíminee zu bieten hat. Ich bin sicher, gewiß werdet Ihr die Zeit mit ihm äußerst lehrreich und angenehm finden.«
»Ihr schmeichelt mir, liebste Lady«, murmelte Seregil. »Laßt mich jedoch unsere Freundschaft ein wenig ausnützen? Würdet Ihr Sir Alec zu seinem ersten Tanz führen? Ich glaube, die Musikanten haben gerade zu einer Eurer Lieblingsmelodien aufgespielt.«
»Es ist mir ein Vergnügen«, antwortete Kylith mit einem Knicks. »Und Ihr könntet mir diesen Gefallen erwidern, indem Ihr meine Nichte zum Tanz führt. Ich habe ihr letzten Endes ja einen Abend voll verführerischer Vergnügen versprochen, und ich kann mir kaum etwas Verführerischeres vorstellen, als mit Euch zu tanzen.«
Ysmay errötete statthaft und legte ihren Arm auf Seregils. Auf sein Zeichen hin stellten sich die anderen Gäste paarweise zusammen und begannen mit dem Tanz.
Kylith reichte Alec mit einem strahlenden Lächeln die Hand. »Gebt Ihr mir die Ehre, mein Herr?«
»Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, das versichere ich Euch«, antwortete Alec. In seinen Ohren klang das hölzern und verlegen, doch er machte weiter, so gut es eben ging. »Ich muß Euch allerdings eingestehen, daß ich nicht gerade als guter Tänzer gelte.«
Sie stellte sich vor ihn und schenkte ihm einen weiteren schmelzenden Blick. »Denkt Euch nichts dabei, mein Lieber. Unerfahrene junge Männer zu unterweisen, gehört zu den unvergleichlichen Freuden, die das Leben zu bieten hat.«
Seregil machte sich daran, mit Ysmay zu flirten, ließ aber Alec dabei nicht aus den Augen. Wie erwartet gelang es Kylith im Handumdrehen, daß der Junge sich entspannte. Noch ein oder zwei Tänze mit ihr, und Alec würde sich fühlen, als habe er sein ganzes Leben nie in anderer Gesellschaft verbracht. Vor Jahren hatte sie sich Seregils in ähnlicher Weise angenommen.
Kylith hatte ihren Aufstieg als Kurtisane in der Straße der Lichter begonnen und war dann in den Adel aufgestiegen, als ein halsstarriger junger Lord den Widerstand der Familie und der Gesellschaft gebrochen und sie geheiratet hatte. Durch die Jahre hindurch hatten ihre Schönheit, ihre Diskretion und ihr scharfsinniger Geist ihr zu einer gewissen Anerkennung verholfen, und so erschien nun die beste Gesellschaf Rhíminees, wenn sie zu einem ihrer berühmten Feste einlud. Ihr Haus war Treffpunkt der herausragendsten Künstler und Musikanten dieser Zeit, und dort gaben sich Abenteurer, Zauberer und Minister aus den höchsten Regierungskreisen ein Stelldichein. Nur wenige außerhalb des Parks der Königin wußten mehr über die Vorgänge im Reichsrat und in den Schlafzimmern von Rhíminee.
Aus diesem Grund hatte Nysander ihr einst wohl Seregil vorgestellt, nachdem seine unglückselige Lehrzeit bei ihm vorüber gewesen war. Kylith war angetan gewesen von seiner geheimnisvollen Vergangenheit und seinem zweifelhaften Ruf, hatte ihn in ihre erlauchten Kreise eingeführt und ihn eine Weile, nach dem Tod ihres Mannes, auch in ihr Bett
Weitere Kostenlose Bücher