Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
mit verschränkten Armen vor den beiden. »Nun, zugegeben, leicht war es nicht. Die Tür zum Arbeitszimmer wäre beinahe mein Ende gewesen.«
»Siehst du!« rief Seregil, legte Alec einen Arm um die Schultern und drückte den Jungen. »Für einen einfachen Einbruch hast du dich prachtvoll geschlagen. Du hast uns beide damit überrascht, wie du dich durch dieses kleine Fenster gewunden hast. Erinnere mich bitte morgen daran, daß ich mich darum kümmere, ja? Und du hast schnell geschaltet, als die beiden Ladies hier durchkamen.«
Alec zuckte zurück, und seine Augen verengten sich mißtrauisch.
»Du hast sie heraufgeschickt!«
»Nun, das war eigentlich meine Idee«, gestand Micum. »Dir ist alles so leichtgefallen. Gib’s doch zu, auf die Weise wird die Geschichte viel spannender, wenn du sie später einmal erzählen willst.«
»Wie soll es denn nun weitergehen?« fragte Alec immer noch mißtrauisch. »Heute abend, meine ich.«
»Heute abend?« Seregils Grinsen wirkte nun ausgesprochen frech. »Nun, heute abend müssen wir uns um unsere Gäste kümmern.«
»Die Feier? Diese Feier? Jetzt? Du hast doch gesagt, die wäre erst in ein paar Tagen!«
»Tatsächlich? Nun, dann ist es ja ein glücklicher Zufall, daß du bereits passend für diese Gelegenheit gekleidet bist. Übrigens, wie hat dir dein neues Zimmer gefallen?«
Alec verzog das Gesicht, als er sich an die Bemerkung der Frau über die bemalte Kommode aus Mycena in dem Zimmer erinnerte, in dem er sich versteckt hatte. »Dem wenigen nach zu schließen, was ich sah, scheint es recht – praktisch eingerichtet.«
Zögernd folgte er Micum und Seregil nach unten und stand mit einemmal in einem Raum voll elegant gekleideter Fremder.
Dutzende dicker Kerzen beleuchteten den Raum, und ihr honigsüßer Duft wirkte wie die Essenz lange vergangener Sommer. Überall spiegelte sich ihr Schein, in glitzernden Juwelen, Seidenstoffen und glänzendem Leder.
Der Salon selbst wirkte nicht weniger elegant als jene, die darin feierten. Die hohen Zimmerwände waren bemalt, und so glich der Raum einer Waldlichtung. Die Kronen beinahe lebensgroßer Eichen erstreckten sich über die Wände hinaus auf die gewölbte Decke. Girlanden bunt blühender Ranken schmückten die Bäume, und zwischen deren Stämmen konnte man in der Ferne Berge und eine Meeresküste erspähen. Auf einem Balkon mit holzgeschnitzter Brüstung im oberen Teil saßen Musikanten und spielten fröhlich auf.
Seregil blieb mitten auf der breiten Freitreppe stehen und legte Alec eine Hand auf den Arm.
»Sehr geehrte Gäste!« rief er, wobei er wieder diese würdevolle, offizielle Haltung annahm, wie er es an Bord der Darter getan hatte, als er »Lady Gwethelyn« spielte. »Gestattet mir, mein Mündel und meinen Gefährten vorzustellen, Sir Alec von Efeuquell, der erst vor kurzem aus Mycena eingetroffen ist. Ich bitte Euch, stellt Euch ihm vor, denn er ist neu in dieser Stadt und kennt noch nicht viele ihrer Bewohner.«
Alecs Mund wurde trocken, als sich ihm Dutzende von erwartungsvollen Gesichtern zuwandten.
»Sei standhaft«, flüsterte Micum. »Denke immer daran, wer du angeblich bist.« Er machte ein kurzes, nur für Alec sichtbares Zeichen mit der Hand, das »Glück« bedeuten sollte, und begab sich hinunter in die Menge der Gäste.
Am Fuß der Treppe trat ein Diener mit einem Tablett vor, auf dem Kelche mit eisgekühltem Wein standen. Alec nahm sich rasch einen davon und leerte ihn in einem Zug.
»Sei vorsichtig damit«, murmelte Seregil und gab ihm einen sanften Stoß nach vorn. Er war nun ganz der elegante Gastgeber und führte Alec zu den verschiedenen Gruppen im Raum, wobei er zu jedem diskutierten Thema einige wohlgesetzte Worte zu sagen wußte.
Die meisten Gäste gehörten dem niederen Adel an, aber auch Kaufleute, die Handel auf dem Meer betrieben und mit Lord Seregil in geschäftlicher Verbindung standen, waren zugegen. Es wurde viel über Karawanen und Seetransporte diskutiert, aber das brisanteste Thema überall war der Krieg, der im kommenden Frühjahr drohte.
»Ich glaube kaum, daß er noch zu vermeiden ist«, mutmaßte ein junger Adliger, der sich Alec als Lord Melwhit vorgestellt hatte. »Seit dem Sommer bereits wird aufgerüstet.«
»Stimmt«, bestätigte ein beleibter Lord über seinen Weinkelch hinweg. »In den letzten paar Monaten konnte man kaum noch ein anständiges Stück Bauholz bekommen, alles wurde kurzerhand requiriert. Ich bezweifle, daß ich bis zum Frühjahr den Bau meiner
Weitere Kostenlose Bücher