Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
ich habe es einfach nicht bemerkt!«
Seregil blickte mit einem trockenen Lächeln zum Turm hinüber. »Da ist es, genau vor unserer Nase. Was immer wir entdecken werden, es ist dort in der Nähe zu finden, dafür verwette ich mein bestes Pferd. Wir müssen nur hineinkommen.«
»Was wir nicht tun können, ehe Stamie herauskommt. Vielleicht hätten wir doch auf Nysander warten sollen.«
»Geduld, Alec. Ein guter Jäger wie du weiß, wie man auf Lauer liegt.«
»Du fühlst dich schuldig, weil du nicht bei ihnen bist, nicht wahr?« wollte Kari wissen, als sie an Micum geschmiegt in ihrer Schlafkammer lagen. Sie kannte die Zeichen; in den beiden Tagen seit Seregils Abreise war Micum zusehends ruheloser und nachdenklicher geworden. An diesem Tag hatte er viele Aufgaben begonnen, ohne auch nur eine einzige zu Ende zu bringen.
»Vielleicht hättest du mit ihnen ziehen sollen.«
»Oh, die beiden kommen auch ohne mich klar.« Micum drehte sich, um sie näher an sich ziehen zu können. »Ich frage mich nur, warum Nysander noch keine Nachricht gesandt hat.«
»Dann schicke du ihm doch eine Botschaft. Einer der Burschen kann sie noch im Laufe des Vormittags abliefern.«
»Ja, vermutlich.«
»Ich weiß nicht, warum du dir solche Sorgen machst. Seregil tut so etwas doch nicht zum erstenmal. Und zwei Tage sind noch keine lange Zeit.«
Micum blickte hoch zu den Kerzen. »Trotzdem, Alec ist noch so neu im Geschäft …«
»Dann solltest du Nysander eine Botschaft schicken. Ich kann dich morgen hier nicht brauchen, wenn du nur wie ein alter Hund herumstreichst.« Kari küßte ihn heftig am Kinn. »Es ist wohl besser, wenn du selbst gehst. Wenn du hier auf eine Antwort wartest, wirst du wohl noch nervöser, als du ohnehin bist. Du kannst auch Beka besuchen, während du in der Stadt bist.«
»Das ist eine gute Idee. Sie hat gewiß inzwischen etwas Heimweh. Aber kommst du denn ohne mich zurecht?«
»Natürlich komme ich zurecht!« gab Kari zurück. »Wenn du fort bist, habe ich genügend Frauen, die mir behilflich sind. Schlaf jetzt ein, Liebster. Du willst gewiß früh aufbrechen.«
Micum hatte ein schlechtes Gewissen, als er an der Kaserne der Reitergarde vorbeiritt und den direkten Weg zum Orëska einschlug. Als er durch die Eingangshalle ging, hörte er eine vertraute Stimme hinter sich, die ihn rief. Er drehte sich um und fand Nysander und Thero, die auf ihn zukamen. Beide trugen staubige Reisekleidung.
»Guten Morgen, Micum!« rief Nysander. »Was führt dich so früh am Morgen hierher?«
Micum erschrak. »Haben Seregil und Alec nicht mit dir gesprochen?«
»Wir waren verreist«, erklärte Thero. »Wir kommen gerade erst zurück.«
Nysander wirkte nachdenklich. »Ich habe von keinem der beiden gehört, nachdem sie nach Cirna reisten.«
»Dieser kleine Gauner!« knurrte Micum. »Er versprach, mit dir zu sprechen, ehe sie sich auf den Weg machten. Ich hätte sie sonst nie ziehen lassen.«
»Was ist geschehen?«
»Er und Alec kamen vor ein paar Tagen mit Beweisen zurück, die eine Verbindung zwischen Kassarie und dem gestohlenen Gold zeigten. Auf dem Rückweg wurden sie überfallen, und sie waren überzeugt, daß sie dahintersteckt. Seregil war begierig darauf, sofort loszuziehen, aber er sagte, er wollte zunächst mit dir sprechen.«
»Vielleicht hinterließ er eine Nachricht. Thero, suche bitte Wethis. Ihm hat Seregil wahrscheinlich eine Botschaft hinterlassen. Komm mit in meinen Turm, Micum.«
»Ich glaube, ich verstehe deine Sorge nicht ganz«, fuhr der Magier fort, als sie die Treppe hinaufstiegen. »Zwei Tage sind nicht zu lange für solch ein Unterfangen, und ich hätte sicher gefühlt, wenn einer von ihnen ernsthaft in Gefahr geraten wäre.«
»Das mag wohl sein«, gab Micum widerwillig zu. »Vermutlich geht es nur um meine Schuldgefühle, weil ich sie nicht begleitet habe, aber Kari ist schwanger, und ich lasse sie nur ungerne allein.«
Thero kam mit einer Pergamentrolle in den Raum geeilt. »Sie waren hier und hinterließen das hier für Euch.«
Nysander entrollte das Manifest und die kurze Erklärung Seregils.
»Er hatte es offensichtlich eilig, diese Spur zu verfolgen«, sagte er. »Ich werde sie auf magischem Wege rufen.«
Nysander nahm an seinem Arbeitstisch Platz, bedeckte die Augen mit den Händen und murmelte einen Zauberspruch. Einen Augenblick später lehnte er sich zurück.
»Es ist schwierig, sie mit dem magischen Auge zu erfassen, aber es scheint alles in Ordnung zu sein.
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