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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Seregil.
    »Glücklicherweise ist sie ein einfaches Mädchen vom Land«, meinte Seregil. »Ein Mädchen aus der Straße der Helme hätte dir den Laufpaß gegeben. ›Stamie, dafür ist jetzt keine Zeit!‹ und ›Nicht so schnell.‹ Du warst ja wirklich nicht der perfekte Liebhaber!«
    »Das habe ich auch nicht behauptet«, gab Alec gekränkt zurück. »Abgesehen davon fühlte ich mich gar nicht wohl dabei, sie so anzulügen.«
    »Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, das Gewissen sprechen zu lassen. Bei Illiors Händen, bei nahezu jedem Unternehmen mußten wir jemanden belügen.«
    »Ich weiß, aber sie ist kein Wegelagerer und auch kein geiler Kapitän, sie ist nur ein armer Niemand, genau wie ich. Ich biete ihr, was sie sich am meisten wünscht, und am nächsten Morgen werden alle ihre Hoffnungen zerstört sein.«
    »Wer sagt denn, daß wir ihre Hoffnungen zerstören müssen? Sie will eine Stelle in der Stadt – ich werde dafür sorgen, daß sie eine bekommt.«
    »Wirst du das tun?«
    »Aber ja. Ich werde eine passende Referenz fälschen. Dann kann sie sich ihren neuen Posten auswählen. Kannst du damit leben?«
    Alec nickte beschämt. »Ich glaube, ich habe nur nicht …«
    »Wenn ich es mir recht überlege, könnten wir sie in die Straße der Räder mitnehmen«, fuhr Seregil erbarmungslos fort. »Wenn du dir um ihr Wohlergehen so viele Gedanken machst.«
    »Das ist nicht genau das, was ich mir vorstelle.«
    »Nein?« Lächelnd legte Seregil einen Arm um die Schulter des Jungen, als sie zurück zu ihrem Versteck gingen. »Das ist ja eine Überraschung!«

 
39
Der Turm
     
     
    Alec kauerte im Schatten nahe der Hinterpforte und betrachtete den klaren, mitternächtlichen Himmel. Der Schnee war ausgeblieben, und bittere Kälte hatte sich breitgemacht. Er konnte kein Feuer machen, und auch Seregil leistete ihm nicht wie an den vorangegangenen Tagen Gesellschaft, daher fror ihn bis tief in die Knochen. Außerdem machte er sich Sorgen.
    Die Lichter in der Burg waren vor einer Ewigkeit erloschen, und er begann sich zu fragen, ob sie entweder erwischt worden war oder sie der Mut verlassen hatte. Vielleicht war sie aber auch nur in ein warmes Bett geschlüpft und hatte ihr Versprechen vergessen.
    Er blieb, und schließlich vernahm er leise Schritte hinter dem Tor. Kurz darauf öffnete sich die Pforte ein kleines Stück, und Stamie winkte ihm zu. Mit übertriebener Vorsicht führte sie ihn durch die Küche in eine dunkle Vorratskammer.
    »Ich komme zurück, ehe die anderen aufstehen«, flüsterte sie aufgeregt und preßte seine Hand gegen ihre Bluse. »Oh, ich kann es gar nicht erwarten, hier wegzukommen!«
    Alec fühlte ihre Rippen durch das grob gewebte Tuch und das rasche Klopfen ihres Herzens. Entschlossen, seine Rolle nun besser zu spielen, nahm er sie in den Arm. Er küßte sie gerade unterhalb des linken Ohrs und flüsterte ihr ein Kosewort zu, das Seregil vorgeschlagen hatte. Der Körper des Mädchens erzitterte, und sie schmiegte sich fester an ihn.
    »Wo ist dein Zimmer?« flüsterte er.
    Sie kicherte leise. »Im Speicher im Dienstbotenflügel, du frecher Kerl! Ich schlafe auf Decken vor Tantes Bett.«
    »Hast du ein Fenster, von dem aus du den Himmel betrachten kannst?«
    »Über mir ist eine Dachluke, ich kann sie aufmachen.«
    »Komm zu mir, wenn die Sterne anfangen zu verblassen.«
    »Wenn die Sterne verblassen«, hauchte sie, drückte ihn ein letztes Mal und eilte davon.
    Alec wartete eine Weile, falls sie einen Vorwand finden würde, zurückzukehren. Das Warten fiel ihm nicht schwer, nach zwei Tagen ohne Feuer war selbst die spärliche Wärme, die der Herd nachts spendete, willkommen. Auch roch es in der Speisekammer herrlich nach Geräuchertem. Zwar war es zu dunkel, um etwas zu erkennen, aber seine suchende Hand fand bald einen Ring Hartwurst.
    Schließlich wagte er sich hervor und fand ein großes Tuch an einem Haken neben der Küchentür. Er warf es zur Tarnung über, dann schlich er zur Pforte und entriegelte sie. Seregil, der die Schwerter trug, schlüpfte herein, und Alec schob den Riegel wieder vor.
    Als sie sicher in der Küche angelangt waren, betrachtete Seregil Alecs Verkleidung und rümpfte die Nase. »Du hast Knoblauch gegessen, Großmutter.«
    »Dort ist etwas Wurst, wenn du möchtest«, bot Alec an, als er das Tuch wieder zurück an den Haken hängte.
    »Zieh deine Stiefel aus«, flüsterte Seregil. »Für diese Art von Arbeit sind nackte Füße am geeignetsten. Vergiß aber den Dolch nicht.

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