Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
wirkte.
»Beim strahlenden Licht, Seregil! Was für ein entsetzlicher Gestank! Thero, bitte sei so nett und hol ihm saubere Kleider, sobald du fertig bist.«
Thero legte das blutige Handtuch neben die Waschschüssel und verschwand über die hintere Treppe hinunter in die Wohngemächer.
Lächelnd begutachtete Nysander das Werk seines Lehrlings.
»Mitunter überrascht er mich dann doch wieder. Aber wo ist Alec?«
»Nimm das hier.« Seregil holte einen weiteren Stoffetzen hervor, den er aus seinem Umhang geschnitten hatte und drückte ihn Nysander in die Hand. »Wir haben gefunden, wonach wir gesucht haben, nämlich Sabotage in der Kloake, aber wir haben dabei ein fürchterliches Chaos angerichtet, das du für uns in Ordnung bringen mußt. Alec wartet am Eingang, also sollten wir uns besser beeilen.«
Nysander schüttelte den Kopf. »Sicher, aber ich sehe keinen Grund, warum ich dich noch mal mitschleppen sollte. Du bist immer noch völlig unterkühlt, und ein Ortswechsel würde dir nach einem solchen Schlag auf den Kopf alles andere als gut bekommen.«
Seregil sprang auf, um Einspruch zu erheben und stellte überrascht fest, daß der Boden entschieden unangenehm unter ihm zu schwanken schien.
»Siehst du?« schalt ihn Nysander und drückte ihn zurück auf die Bank. »Du gehst runter und setzt dich ans Feuer. Alec kann mir zeigen, was auch immer ich mir ansehen soll.«
»Ich kann doch nicht einfach nur hier rumsitzen«, begehrte Seregil abermals auf, obwohl sich um ihn immer noch alles drehte. »Wir sind heute nacht schon einmal mit zwei Torläufern zusammengestoßen. Da unten könnten noch mehr lauern – oder schlimmeres.«
Nysander zog die zottigen Augenbrauen hoch. »Willst du damit andeuten, daß Alec in meiner Gegenwart nicht sicher wäre?« Als Thero mit frischen Gewändern über dem Arm zurückkehrte, ließ Seregil den Kopf auf die Hände sinken.
»Ich vertraue Seregil deiner Obhut an«, erklärte Nysander. »Ich schlage einen Becher heißen Wein und unbedingt ein Bad vor.« Damit umklammerte er den Wollfetzen, den Seregil ihm gegeben hatte, wob eine Reihe Symbole in die Luft und verschwand in der breiten, schwarzen Öffnung, die kurz neben ihm auftauchte.
Als Nysander die Augen wieder aufschlug, befand er sich auf einem kleinen, menschenleeren Platz.
»Da bist du ja«, flüsterte Alec und kroch hinter einer Gruppe blätterloser Büsche hervor. »Geht es Seregil gut?«
»Ja, er ist nur ein wenig benommen. Er hat gesagt, du müßtest mir etwas zeigen.«
»Etwas, das in Ordnung gebracht werden muß«, erwiderte der Junge und ließ das vertraute Grinsen aufblitzen. »Mir nach.«
Zum ersten Mal sah ihn Nysander bei der Arbeit und zeigte sich beeindruckt davon, wie flink und geschickt Alec vorging.
»Du meine Güte, Seregil hat sich aber ganz schön Mühe mit dir gegeben!« stellte Nysander fest, als Alec ihn durch das zweite Gitter ließ.
»Auf ewig für ehrliche Arbeit untauglich g’macht, det hat er g’schafft«, erwiderte Alec im durchaus glaubwürdigen Tonfall eines Hafenarbeiters. »Jetzt is’ es nich’ mehr weit.«
Nachdem sie das beschädigte Gitter erreicht hatten, stieg Nysander hinauf, um den Schaden am Steinwerk und den Eisenbeschlägen zu begutachten, dann wechselte er auf die andere Seite, um sich die unversehrte Ecke anzusehen.
»Schon klar«, murmelte er zu sich selbst, während er den heil gebliebenen Bolzen eingehend betrachtete. »Höchst einfallsreich eingefädelt. Und höchst einfallsreich von euch, daß ihr es entdeckt habt. Ja, ich bin sehr zufrieden. Gut gemacht.«
»Kannst du das in Ordnung bringen?«
»Ob ich es in Ordnung bringen kann?« schnaubte Nysander verächtlich und stieg herunter. Er umklammerte mit beiden Händen die Gitterstäbe, schloß die Augen und lauschte den Schwingungen des kalten Eisens. Dann ließ er seine Kraft durch die Hände in das Metall strömen, stellte es sich bildlich vor und fühlte, wie es unter seinen Fingern erbebte.
Alec, der neben ihm stand, spürte, wie ein mächtiges Zittern die übelriechende Luft durchlief. Weder Blitze noch Licht oder magische Zeichen zuckten auf; statt dessen ertönte lediglich kurz ein metallisches Knirschen und Quietschen. Einen Lidschlag lang hatte Alec den Eindruck, das Metall würde gleich einer Pflanze zum Leben erwachen und wachsen und sich rekeln, während es wieder ganz wurde.
Als er aufschaute, stellte er fest, daß die beschädigte Ecke wieder genauso aussah wie zuvor. »Bei Illiors
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