Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Laterne in der Hand ein. Das plötzliche Licht brannte in Alecs Augen, so daß er rasch den Blick abwandte. Im Zuge dessen fiel ihm auf, daß Thero halb der Wand zugedreht hockte und die Handgelenke im Schoß verbarg.
Vargûl Ashnazai schenkte dem jungen Magier keinerlei Beachtung und schritt ohne Umschweife auf Alec zu. »Ich hoffe, du bist für die heutige Abendeinlage bereit?«
Sein Gebaren verriet eine von Wahnsinn beseelte Besitzgier; nicht einmal die Furcht vor Mardus würde ihm bei dem düsteren Vergnügen in die Quere kommen, das er sich heute nacht zu gönnen gedachte. In der Enge der Höhle fühlte sich der blanke Haß des Mannes nachgerade greifbar an. Als das hungrige Starren dieser schwarzen Augen Alec erfaßte, zerfielen seine Fluchtpläne jäh zu Staub.
»Was ist mit den Wachen?« brachte Alec mit einer Stimme hervor, die lediglich einem heiseren Flüstern glich. Er klammerte sich an Strohhalme, und sie beide wußten es.
Ashnazai stellte die Lampe auf den Boden neben sich und zog die Handschuhe aus. »Die bereiten mir keine Sorgen. So lange ich es nicht will, verläßt kein Geräusch diese Wände. Und selbst wenn ich es zuließe, wer würde dir schon zu Hilfe eilen? Herzog Mardus vielleicht? Wie sehr er dich doch mag! Fast so sehr wie ich, aber leider beschäftigen ihn derzeit praktischere Dinge. Zum Glück habe ich im Augenblick keine andere Aufgabe als dich.
Ah, wie sehr ich mich doch gedulden mußte«, seufzte er schwelgerisch und hob eine fahle Hand, um ein Beschwörungsmuster in die Luft zu weben. »Was habe ich auf diesen Augenblick gewartet.«
»Genau wie ich, Totenbeschwörer!«
Alec blieb kaum Zeit zu begreifen, daß die rauhe, heisere Stimme Thero gehörte, bevor ihn eine grelle Lichtexplosion blendete. Ein zorniges oder wutentbranntes Kreischen ertönte, doch Alec vermochte nicht zu sagen, von wem es stammte.
Nachdem er die schwarzen Pünktchen weggeblinzelt hatte, die vor seinen Augen tanzten, sah er die verzogenen Überreste des Zaums am Boden zu Theros Füßen liegen. Außerdem erkannte er erschrocken, daß Theros Zauber den Totenbeschwörer lediglich verwundet hatte, und nicht annähernd schwer genug. Blutüberströmt, aber immer noch auf den Beinen, umkreiste Ashnazai den jungen Magier und hob die Hände, um einen Angriff zu starten.
Alec löste das offene Schloß und streifte sich die Kette vom Hals. Dann ergriff er mit beiden Händen ein Stück davon, stürzte sich auf Ashnazai, schlang die Kette um die Kehle des Totenbeschwörers und zog sie mit einem kräftigen Ruck fest.
Vargûl Ashnazai wand sich wie eine riesige Schlange und zerrte an der Kette. Alec zog sie noch fester und riß ihn zu Boden. Er hatte noch nie jemanden erwürgt, doch Wut erwies sich als ausgezeichneter Lehrer. Ein Gefühl der Macht durchströmte seinen Körper und verdrängte alles andere, als er ein Knie in den Rücken des Totenbeschwörers stemmte und die Kette so fest zog, daß sie in seine Hände und in Ashnazais Kehle schnitt.
»Das ist für Seregil, du Sohn eines räudigen Köters!« knurrte er. »Und dafür, was du Cilla und Thryis und Rhiri und Diomis und Luthas und Thero angetan hast. Und mir!«
Er riß die Kette zurück und hörte, wie Knochen brachen. Mit kraftlos baumelndem Kopf erschlaffte Ashnazai unter ihm.
Alec drehte ihn auf den Rücken und starrte in die verhaßte Visage. Die Zunge des Totenbeschwörers ragte zwischen schaumgesäumten Lippen hervor. Die vorquellenden Augen waren vor Schmerz und Überraschung weit aufgerissen.
Zutiefst befriedigt nahm Alec ihm das Elfenbeinfläschchen ab, das um seinen Hals hing und legte es selbst an. Worum es sich auch handeln mochte, niemand würde es je wieder gegen ihn verwenden.
»Jetzt müssen wir aber schleunigst hier raus«, warnte ihn Thero immer noch schwach und atemlos. »Dieser Zauber, der Angriff – Wir müssen weg, bevor die Wachen zurückkommen!«
»Was ist mit den Schutzbeschwörungen, mit denen er den Eingang versehen hat?« fragte Alec und half dem Magier auf die Beine.
Thero zeigte sich zittrig, aber entschlossen. »Die haben sich aufgelöst, als du ihn getötet hast.«
»Gut.« Vargûl Ashnazai war für ihn nur noch ein vergessener Kadaver. Er drehte der Leiche den Rücken zu, löschte die Lampe und kroch auf den Höhleneingang zu.
Die Wachen waren noch fort und kümmerten sich irgendwo um ihre eigenen Angelegenheiten, um ihren Meister nicht bei seinem Freizeitvergnügen zu stören, aber das Feuer, das sie angezündet
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