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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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»Gebt den beiden einen Gürtel zum Reinbeißen, und dann bringen wir’s hinter uns.« Damit stemmte er den Fuß gegen die Planke und zerrte den ersten Nagel mit einer Hufschmiedzange aus Gillys Hand.
    Es erwies sich als qualvolles Unterfangen. Das Fleisch um den Nagel war so geschwollen und eitrig, daß Braknil die Zange tief in die Haut pressen mußte, um ordentlich Halt zu finden. Gilly verlor das Bewußtsein, als der erste Nagel sich löste. Mirn biß krampfhaft auf den Gürtel zwischen den Zähnen, während ihm vor Schmerz Tränen über die Wangen in die Ohren liefen.
    »Ganz ruhig«, murmelte Beka und bemühte sich, die in ihr aufflammende Wut und den Abscheu zu verhehlen, während sie mit beiden Händen seine Schultern niederdrückte. »Gleich ist es vorbei.«
    Nachdem die Tortur vorüber war, wusch Braknil die Wunden mit Meerwasser aus und verband sie mit verschwitzten Leinen- und Wollstreifen, die jeder Reiter aus seinen Gewändern geschnitten hatte.
    »Keiner der beiden ist in der Lage, allein zu reiten«, stellte Beka fest. »Rhylin, Ihr und Kallas seid die Kräftigsten, also ladet ihr sie euch auf. Nikides, die Planken und Nägel nehmen wir mit. Wir hinterlassen diesen Dreckskerlen auf keinen Fall vermeidbare Spuren.«
    Als der Rest der Turma aufstieg, um den Rückzug anzutreten, erhob sich aus der Richtung des Lagers ein weiterer schreckenserregender Schrei.
    Das wahnsinnige, widernatürliche Geheul schwoll an und verhallte, dann brach es abermals zittrig los, als drohte eine gewaltige Kehle vor Anstrengung zu bersten. Die Pferde warfen erschrocken die Köpfe hin und her und sogen schnuppernd die Luft ein.
    »Bei Bilairy! Was ist das, Leutnant?« keuchte Tealah.
    »Hoffen wir, daß wir es nie herausfinden«, murmelte Beka. Wieder ertönte der entsetzliche Schrei. »Nein, es bewegt sich von uns weg. Verschwinden wir, bevor es seine Meinung ändert.«
    »Welche Richtung?« fragte Rhylin und verlagerte den Griff um Mirn, der mittlerweile ebenfalls das Bewußtsein verloren hatte.
    »Ins Landesinnere, von ihnen weg«, antwortete Beka, als neuerlich Geheul durch die Bäume zu ihnen drang.
    »Und weg von dem da, was auch immer es sein mag!« brummte jemand, als sie den Pferden die Sporen gaben.
     
    Alec?
    Nysanders Stirn runzelte sich, während er blind in die Dunkelheit starrte. Zuerst war es Theros Macht gewesen, die er gespürt hatte; nun fühlte er nur noch Alecs Aura, die gleich einem fernen Leuchtfeuer in seinem Verstand schimmerte.
    Er mußte keinerlei Magie anwenden, um sie zu empfangen – die Aura erstrahlte unverfälscht und klar, vermutlich aufgrund des mächtigen Zaubers, mit dem sie verschmolzen war. Nysander erkannte das vertraute Muster des Bannes.
    Gut gemacht, Thero! Aber warum war die Aura des jungen Magiers so plötzlich verschwunden?
    Abermals spürte er Alecs flüchtiges Zittern, richtete einen Hauch Magie darauf und murmelte lautlos, Komm zu uns, Alec. Wir brauchen dich.
    Sie hatten unter einer alten Kiefer in dem Wald oberhalb des Tempels Zuflucht gesucht. Die Spitzen der untersten Äste des Baumes berührten fast den Boden, so daß sie einen niedrigen, zeltähnlichen Unterschlupf bildeten.
    Micum lag ausgestreckt auf einem weichen, duftenden Bett abgefallener Nadeln und schnarchte leise vor sich hin. Neben ihm warf Seregil sich rastlos hin und her und murmelte etwas auf Aurënfaieisch.
    Seit Nysander in Plenimar angekommen war, hatte er kaum das Bedürfnis nach Schlaf verspürt. Die stillen Stunden der Nacht waren zu kostbar, um sie zu vergeuden. Statt dessen hielt er Wache, meditierte und hegte seine wiederkehrende Kraft.
    Er konnte nur hoffen, daß sie stark genug sein würde, wenn die Zeit kam.
    Abermals regte sich Seregil und ließ ein leises Stöhnen vernehmen. Kurz spielte Nysander mit dem Gedanken, ihn zu wecken und seinen ersten Hoffnungsschimmer mit ihm zu teilen, doch es war zu früh; wenn Seregil glaubte, Alec wäre in der Nähe, würde er allein aufbrechen, um ihn zu suchen, aber dafür war der Junge noch zu weit entfernt.
    Der Magier lehnte sich an den knorrigen Stamm der Kiefer zurück und setzte seine einsame Wache fort.
    Die Vier würden bald wieder vereint sein; sie würden einander finden.
     
    Bekas Gruppe ritt geradewegs nach Osten, bis der Mond unterging. Als der Morgen graute, befanden sie sich auf einem felsigen Hochland, von dem aus sie in der Ferne die nebelverhangene, blaue See erblickten.
    Mirns und Gillys Hände sahen aus wie aufgeblasene Handschuhe,

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