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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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ersten, hellen Rand der Sonne, die allmählich aus dem Herrschaftsschatten des Mondes trat.
    Seregil spuckte ins Wasser. Eine kleinere Woge spülte über den Beckenrand und verbarg Mardus einen Augenblick unter einer rauschenden Schaumdecke. Als sie sich wieder zurückzog, waberte vor Seregil das Spiegelbild eines anderen Mannes auf der Wasseroberfläche. Seregil schaute auf und erblickte Nysander, der über ihm am Rand des Beckens stand. Hinter ihm waren immer noch die Geräusche vereinzelter Kampfhandlungen zu hören.
    »Gut gemacht«, sagte der Magier ernst. »Jetzt muß der Helm ein für allemal zerstört werden. Gib ihn mir – und dann such dein Schwert.«
    Seregil beugte sich vor und ergriff den Helm an zweien der schwarzen Hörner, so wie vor Monaten die Kristallspitzen der Krone. Und wie damals umringten ihn unsichtbare Stimmen und gestaltlose Geister und versuchten, seiner Hand Einhalt zu gebieten, als er den Helm berührte.
    Die blauen, in das breite Band eingelassenen Edelsteine hatten mittlerweile das Aussehen echter Augen angenommen und zuckten anklagend in den lidlosen Höhlen hin und her, als er den Helm zu Nysander hinaufreichte.
    Der Magier bedeckte ihn mit einem Zipfel seines Umhangs. »Dein Schwert«, wiederholte er mit freundlicher, aber fester Stimme. »Ich brauche hierbei deine Hilfe, Seregil. Du bist der einzige, der mir helfen kann.«
    Seregil spürte seine Verletzungen kaum, als er durch das Becken zurückwatete, um seine Waffe zu suchen.
    »Da ist es«, rief er. »Aber was ist mit …«
    Die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Während ihm der Schaum einer weiteren Woge um die Beine spülte, schaute er zu der großen Gestalt aus seinen Alpträumen hinauf, die über ihm thronte. Doch diesmal erkannte er die Züge unter dem schartigen Rand des unförmigen Helmes.
    Es war Nysanders Antlitz.
    Die skelettähnlichen Hände, die den Wangenschutz darstellten, krümmten sich nach innen auf Nysanders Gesicht zu, so daß sich die Klauen in die Wangen gruben. Aus den widernatürlich funkelnden blauen Augen schossen Lichtstrahlen. Nysander stand reglos da und wartete.
    »Nysander, warum?« krächzte Seregil. Die Haut um das Mal auf seiner Brust kribbelte und juckte, dann verstärkte sich die Empfindung und kroch durch seinen rechten Arm hinab. Funken tänzelten über den Korb des Schwertes und weiter über die glänzende Klinge.
    Seregil aber nahm nur die kummervolle Entschlossenheit wahr, die er in Nysanders Augen las.
    Nysander – sein ältester Freund, weisester Lehrer, zweiter Vater.
    Ein gesunder Teil seines Verstandes brüllte ihm zu, das Schwert in die See zu schleudern, doch er konnte sich weder bewegen noch den Blick abwenden.
    »Nysander, ich kann nicht!« rief er kläglich und gab die vergessenen Worte aus seinen Träumen wieder.
    »Du mußt.« Die Stimme des Magiers klang bereits dünn und brüchig. »Ich habe mir diese Bürde freiwillig aufgeladen. ›Der erste wird sein der Hüter, ein Lichtschein in der Finsternis. Dann der Schaft und die Vorhut, die da werden versagen und doch nicht versagen, so der Führer, der Ungesehene, voranschreitet. Und zuletzt wird abermals sein der Hüter, dessen Rolle bitter ist, bitter wie Galle.‹
    Du mußt jetzt zuschlagen, mein lieber Junge. Zuviel Blut wurde vergossen; ich kann die Macht nicht mehr lange zurückhalten. Wenn du versagst, werde ich ihr Vatharna, die Verkörperung dessen, was ich mein Leben lang zu bannen versucht habe. Schlag jetzt zu, ich bitte dich. Es gibt und gab nie einen anderen Weg.«
    Seregils Körper fühlte sich schwerelos an, als er mit dem blanken Schwert in der Hand über die rissigen Felsen hinaufkletterte.
    Sperr den Kummer aus, flüsterte eine Stimme tief in seinem Herzen. Sperr das Entsetzen aus, die Angst, die Wut, das Mitleid …
    Ich verstehe. O ja!
    Die Augen des Helmes rollten in den Höhlen herum und richteten sich auf ihn, als er sich Nysander von Angesicht zu Angesicht gegenüberstellte; dies war ein Hieb, der nicht von hinten ausgeführt werden konnte. Ein schrecklich anzuhörendes Stöhnen erfüllte die Luft rings um sie und vermischte sich mit den Schreien aus sterbenden Kehlen, als Seregil den Arm hob, um auszuholen. Ein Teil von ihm erkannte Alecs Stimme unter den anderen, aber er drehte sich nicht um.
    Nysander taumelte, sank auf die Knie und streckte die Arme zu beiden Seiten von sich. Lichtkugeln brannten auf jeder Handfläche und erhellten die immer noch auf der Haut sichtbaren Symbole.
    … um deine

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