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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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schwerfällig zu dem weißen Stein, kauerte sich dort nieder und wartete auf Erleichterung.
    Doch die Erleichterung blieb aus; die Leere, in die er in dem Augenblick gestürzt war, als er Nysanders letzten Befehl ausführte, umgab ihn nach wie vor und ließ ihn sich abgekapselt, innerlich tot fühlen. Er sah Alec und die anderen, die sich um Micum scharten, um einander in der bevorstehenden Nacht Trost zu spenden.
    Seregil wußte, daß er bei ihnen sein sollte, doch aus unerfindlichem Grund war er außerstande, sich zu bewegen. Er ließ den Kopf in die Hände sinken und verharrte allein in den Schatten, wo Nysander wenige Stunden zuvor auf seinen letzten Auftritt gewartet hatte.
    Einige Zeit später hörte er, daß jemand über die Felsen zu ihm heraufkletterte. Als er aufschaute, stellte er überrascht fest, daß es Thero war.
    Ausgezehrt und geschunden, in geliehenen Kleidern, wies er wenig Ähnlichkeit zu dem überheblichen jungen Magier auf, mit dem sich Seregil so viele Jahre in den Haaren gelegen hatte. Bevor Thero das Wort ergriff, starrte er eine Weile auf den Scheiterhaufen.
    »Ich habe zu viele Jahre damit verschwendet, auf dich eifersüchtig zu sein«, sagte er schließlich, ohne Seregil anzusehen. »Das hat ihn verletzt, und ich würde es rückgängig machen, wenn ich könnte.«
    Langsam nickte Seregil; er spürte, daß es mehr zwischen ihnen zu sagen gab, doch er wußte nicht, wie er beginnen sollte. Also fragte er statt dessen: »Wird Micum wieder gesund?«
    »Ich glaube, ich habe den Großteil des Giftes aufgehalten«, antwortete Thero, der erleichtert darüber schien, über praktische Dinge sprechen zu dürfen. »Aber auch wenn er das Bein nicht verliert, bezweifle ich, daß es ihm je wieder von großem Nutzen sein wird.«
    »Er kann von Glück reden, daß er überhaupt noch lebt. Und der Dyrmagnos?«
    »Ist am Ende. Alec hat sich darum gekümmert.«
    »Gut.« Abermals breitete sich betretenes Schweigen zwischen ihnen aus, und Thero wandte sich zum Gehen.
    »Danke«, brachte Seregil mit dünner, brüchiger Stimme hervor. »Dafür, daß du Alec geholfen hast und für alles andere.«
    Thero nickte kurz, dann trottete er durch die Schatten entlang der Straße davon.
     
    Micum sah, wie Thero davonstapfte.
    »Geh du zu ihm rauf«, krächzte er und schaute mit fiebrigen Augen zu Alec auf.
    »Er hat recht«, pflichtete Beka ihm bei und führte einen Becher voll Wein und Medizin an die Lippen ihres Vaters. »Er sollte jetzt nicht allein sein.«
    »Ich weiß. Ich zerbreche mir schon den ganzen Nachmittag den Kopf darüber«, flüsterte Alec kläglich. »Aber ich weiß einfach nicht, wie ich ihm helfen kann, was ich sagen soll. Wir alle haben Nysander geliebt, aber nicht so wie er. Und dann mußte auch noch ausgerechnet er …«
    Micum streckte den Arm aus und legte eine heiße, trockene Hand auf die des Jungen. »Sein Herz ist gebrochen, Alec. Hör auf das deine.«
    Alec stieß einen schweren Seufzer aus und nickte. Dann erklomm er die Felsen und ging zu Seregil hinüber, der immer noch mit in den Schatten verborgenem Gesicht auf dem Stein hockte.
    »Es wird allmählich kalt. Ich dachte, vielleicht kannst du den hier brauchen«, sagte Alec, nahm seinen Umhang ab und legte ihn um die Schultern seines Freundes. Seregil murmelte ein leises Danke, rührte sich aber nicht.
    Mit einem Gefühl entsetzlicher Hilflosigkeit legte Alec die Hand auf Seregils Schulter, dann schlang er den Arm um ihn. Er hätte erwartet, daß Seregil ihn abschütteln oder endlich weinen würde, aber er war nicht auf die schwarze Leere gefaßt, die er statt dessen spürte. Irgend etwas in Seregils Innerem war geflohen oder gestorben; es war, als berührte man eine Statue, eine Vogelscheuche.
    Frische Tränen kullerten über Alecs Wangen, aber er rührte sich nicht, sondern verharrte einfach und hoffte, seine Nähe würde Seregil ein wenig Trost spenden. Seine Zunge fühlte sich wie ein toter Aal im Mund an, Worte steckten wie brüchiges Laub in seiner Kehle fest. Was gab es in einem solchen Augenblick zu sagen?
    Eine Brise erhob sich und blies seufzend durch den Wald hinter ihnen; das Geräusch vermischte sich mit dem gleichmäßigen Rauschen der Brandung. Eine Eule segelte so nah vorbei, daß Alec hören konnte, wie ihre Schwingen durch die Luft schnitten. Schrill drang ihr Ruf durch die Dunkelheit zu ihnen.
    Eine Weile verharrten sie so, bevor Seregil endlich mit kaum vernehmbarer Stimme das Wort ergriff.
    »Es tut mir leid, Alec. Alles

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