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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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er hinzu: »Aber vielleicht habe ich etwas genauso Wirksames.«
    »Und das wäre?« fragte Ekrid zweifelnd.
    Seregil lächelte matt.
    »Einen Plan.«
     
    Als die ersten Strahlen der Sonne über den Gipfeln im Osten zum Vorschein kamen, ließ Retak die Gruppe am Fuße des Passes innehalten. Shradin ging voran, um die Gefahr abzuwägen. Die anderen – jeder Mann, jede Frau und jedes Kind aus Retaks Dorf – warteten schweigend auf ein Zeichen zum Weitergehen. Mütter flüsterten ihren Kindern zum wiederholten Male ins Ohr, weshalb sie still sein mußten. Den Säuglingen hatte man llaki gegeben, damit sie einschliefen.
    Seregil erklomm einen Felsvorsprung und hielt die Hand schützend über die Augen, als er zurück über das Schneefeld blickte. Zwar beherrschten nach wie vor blaue Schatten das Tal, dennoch konnte er eine dunkle Kolonne Männer erkennen, die sich dem Dorf näherte. Es würde nicht lange dauern, bis sie herausfanden, daß ihre Opfer geflohen waren. Ebenso schnell würden sie feststellen wohin.
    »Da sind sie«, flüsterte er Retak zu. »Wir müssen rasch weiter!«
    Sie wagten kaum zu atmen, als sie weiter den Paß hinaufwanderten.
    Es war ein furchterregender Weg. Die Dorfbewohner bewegten sich so flink sie konnten, manche unter der Last von Brennmaterial und Proviant, andere trugen Kinder auf dem Rücken oder gebrechliche Verwandte auf Bahren. Nur das gedämpfte Knirschen von Schneeschuhen und das Knarren von Rucksacktragriemen durchbrachen die Stille. Der alte Timan schleppte sich schmerzerfüllt am Ende des Trosses voran, gestützt von Turik und dessen Brüdern.
    Vara war die Gnade des Todes vergönnt gewesen; nun lag sie gemeinsam mit ihrem Kind in den Schneewächten hinter den Ziegenpferchen begraben. Doch ihr Tod war nicht umsonst gewesen; sie hatte Retaks Dorf Zeit verschafft, sich vorzubereiten.
    Glitzernde Schneeschleier stoben über den Paß und rieselten die Hänge hinab. Sie endeten allesamt als harmlos winzige Bälle, die bergab rollten und Mäuschenspuren hinterließen. Von den Felsen über ihnen ertönte ein unheilverkündendes Knacken und Ächzen, doch da Shradin ihnen keine Warnzeichen gab, scheuchte Retak seine Leute stumm weiter.
    Seregil, der in ihrer Mitte marschierte, fühlte sich zutiefst bewegt von der Mischung aus Angst, Vertrauen und Entschlossenheit, die diese Menschen antrieb. Sie hatten ihn willkommen geheißen und ihm, einem Fremden, das Beste all dessen dargeboten, was sie besaßen. Als Retak ihn zum Mitglied seiner Sippe ernannte hatte, meinte er dies durchaus wörtlich. In den Augen der Dravnier galt er so lange als Blutsverwandter der Gemeinde, wie er es sein wollte.
    Den plenimaranischen Marinesoldaten, vor denen sie flohen, war derselbe Empfang angeboten worden.
    Als sie sich der Höhle näherten, schaute Seregil zurück und sah, daß der Feind das Dorf erreicht hatte und sich nunmehr dem Paß zuwandte.
    Ihr Schweinehunde! dachte er erbittert. Ihr würdet diese Menschen für was auch immer am Ende dieses Tunnels liegt hinschlachten wie Schafe, genauso, wie ihr Varas Dorf hingemetzelt habt. Aber ihr wart schlampig, meine Freunde, und das war ein entscheidender Fehler!
    Weiter vorn unterhielt sich Retak kurz mit Shradin, dann bedeutete er dem Troß stehenzubleiben. Seregil ging weiter und gesellte sich zu ihm.
    »Wissen diese Männer, wie man den Schnee liest?« flüsterte Shradin.
    »Hoffentlich nicht. Retak, sag den anderen, sie sollen noch ein wenig höher heraufkommen und dann auf dein Zeichen warten. Sind die jungen Männer auf ihren Plätzen?«
    »Sie sind bereit. Aber was ist, wenn dein Plan fehlschlägt?«
    »Dann brauchen wir einen anderen Plan.« Damit begab sich auch Seregil, der wesentlich mehr Zuversicht zur Schau stellte, als er empfand, auf seinen Platz.
    Gespannt beobachteten die Dorfbewohner den Vormarsch der Plenimaraner. Mittlerweile stand die Sonne höher am Himmel und widerspiegelte sich unten im Tal gleißend auf Speerspitzen und Helmen. Was zunächst wie eine lange, dunkle, sich windende Schlange im Schnee wirkte, verwandelte sich bald in einzelne Männer, die auf sie zuschritten.
    Wohinter auch immer die Plenimaraner herzusein glauben, sie gehen kein Wagnis ein, dachte Seregil, nachdem er über hundert Mann gezählt hatte. Kurz schaute er den Hang hinauf, versuchte, den Eingang zur Geisterkammer zu entdecken und fragte sich abermals, was all das wert sein mochte.
    Die Plenimaraner waren schon so nah, daß Seregil bereits die Rangabzeichen auf

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