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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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entfernt in den Sümpfen unterhalb des Schwarzwassersees auf einen ähnlichen Anblick gestoßen. Dort jedoch waren einige der Leichen erst vor kurzem getötet worden. Diese Leichen lagen bereits seit Jahrzehnten, vielleicht seit Jahrhunderten hier. All das und Nysanders verschwommene Drohungen und Geheimniskrämerei ließen echte Angst in Seregil aufflammen.
    Das summende Geheul in seinen Ohren war hier viel schlimmer. Während Seregil am Eingang zu der zweiten Kammer kniete, stellte er sich plötzlich vor, wie die letzten Augenblicke der Opfer ausgesehen haben mußten.
    Sie warten darauf, in die Todeskammer gezerrt zu werden.
    Sie lauschen den Schreien.
    Dampf steigt von aufgerissenen Leibern auf …
    Fast vermeinte er, die Stimmen jener Gequälten leise über die Jahre zurückhallen zu hören.
    Unbehaglich schüttelte er derlei Vorstellungen ab und kroch hinein, um die geheimnisvolle Eisplatte in Augenschein zu nehmen.
    Der grob gehauene Eisblock erwies sich als halb so lang wie Seregil groß war und als fast vier Fuß dick. An dieser Stelle schien die Aura des Ortes noch schlimmer; ein gräßliches Kribbeln überzog seine Haut, als wuselten Ameisen unter seinen Kleidern. Sein Kopf pochte. Das Summen in den Ohren schwoll an wie ein Chor von Stimmen, die eine Oktave jenseits der Schmerzgrenze heulten.
    Doch als noch beunruhigender empfand Seregil das plötzliche Aufflammen von Schmerzen rings um die Narbe auf seiner Brust. Sie brannte wie eine frische Wunde und trieb eine spitze Lanze der Pein tief in sein Herz.
    Seregil machte sich rasch an die Arbeit. Er nahm die beiden Flaschen aus der Schatulle, wickelte sie aus und schüttete den dunklen Inhalt der ersten Flasche so auf den Eisblock, das oben ein Kreis entstand. Mit dem Dolch ritzte er in den Kreis die Symbole der Vier; eine liegende Acht für Dalna; Illiors schlichte Sichel; ein kunstvolles Wellenzeichen für Astellus; das Flammendreieck für Sakor. Als er fertig war, bildeten die vier Symbole die Ecken eines Rechtecks.
    Widernatürliche Flammen züngelten auf, als sich die Flüssigkeit durch das Eis fraß, und wie zur Antwort leuchtete in der Mitte des Blockes ein Schimmer auf, der den Umriß eines kreisförmigen Gegenstandes erkennen ließ, der darin eingebettet lag.
    Ein neuerlicher Schmerzensschwall raubte Seregil fast den Atem. Er faßte unter den Mantel und ertastete darunter etwas Nasses. Mit blutigen Fingern zog er Mantel- und Hemdkragen auseinander und stellte fest, daß die Haut rings um die Ränder der Narbe aufgebrochen war.
    Mittlerweile waren überall um ihn herum Stimmen – tuschelnde, seufzende, klagende Stimmen. Seine Hände zitterten, als er rasch den Inhalt der zweiten Flasche auf das Eis schüttete. Weitere Flammen züngelten auf und flackerten in der schwachen, gespenstischen Brise, die sich um ihn erhob. Unsichtbare Finger strichen über sein Gesicht, zerrten an seinen Kleidern, fuhren ihm durchs Haar.
    Eine erste, durchsichtige Kristallspitze trat aus dem schmelzenden Eis hervor, rasch gefolgt von sieben weiteren, die einen schrägen Ring ergaben.
    Der gleichermaßen qualvolle und frohlockende Gesang schwoll an, bis er die enge Kammer vollständig ausfüllte. Seregil preßte beide Hände auf die Ohren, während er sich wartend zusammenkauerte.
    Die magische Flüssigkeit verbrannte und verdunstete, bis acht klingenähnliche Kristallspitzen freilagen, die eine Art Reif bildeten.
    Seregil beugte sich darüber, um den Reif herauszuziehen. Dabei fiel ein Blutstropfen von seiner Brust auf das Eis innerhalb des Reifs. Auf merkwürdige Weise gebannt hielt er inne und beobachtete, wie ein weiterer Tropfen hinabfiel, und wieder ein weiterer. Ein Steinsplitter hatte seinen Handrücken aufgerissen, und auch aus dieser Wunde troff Blut. Ein ganzes Rinnsal träufelte zwischen Seregils Fingern hinab auf die Spitze, die er umfaßte, und färbte sie rubinrot, als es daran hinabglitt und in die kleine Lache kullerte, die sich in der Mitte der Krone ansammelte.
    Der Gesang klang nun deutlicher und wirkte mit einem Schlag lieblich, beruhigend und irgendwie vertraut. Seregils Kehle verkrampfte sich, als er in die unmöglichen Noten miteinzustimmen versuchte, während unaufhörlich Blut von seiner Brust tropfte.
    Noch nicht, summten die Stimmen. Unsichtbare Hände streichelten ihn und hielten ihn, während er sich über die Krone beugte. Sieh zu! Sieh zu, wie die Schönheit erblüht.
    Das angesammelte Blut sank in das Eis. Sogleich kroch langsam ein

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