Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
werfen.
Seregil hielt die Geldbörse und schüttelte sie. Das Klimpern der Münzen zeigte die gewünschte Wirkung; der Pferdeverleiher schwang die Stalltore weit auf und hielt die Laterne, während die beiden drinnen ein halbes Dutzend Pferde begutachteten.
Bald fand Alec eine annehmbare Stute, und der Mann sattelte sie für ihn.
Seregil brauchte länger. Nachdem er scheinbar endlos auf und ab gegangen war und mürrisch vor sich hingebrummt hatte, entschied er sich für einen knochigen Grauen.
»Es steht mir in keiner Weise zu, einem Lord dreinzureden, aber mit dem Gaul hat er eine schlechte Wahl getroffen«, tuschelte der Stallmeister Alec besorgt zu. »Der alte Cloudy hat seit Tagen nichts mehr gefressen und ist verkühlt. Wenn Ihr für mich mit Eurem Freund redet, sorge ich dafür, daß der das beste Pferd meines Stalls bekommt.«
Alec zwinkerte dem Mann beruhigend zu und zählte eine großzügige Menge Münzen aus der Börse. »Zerbrich dir nicht den Kopf. Wir wollen einem Freund einen Streich spielen, und dein Grauer ist genau richtig dafür. Wir passen schon auf ihn auf und bringen beide Gäule vor Sonnenaufgang zurück.«
Langsam trabten sie los, doch sie hatten kaum eine Viertelmeile hinter sich gebracht, als Seregils kleines, gedrungenes Pferd auch schon jäh zum Stehen kam und seinen Reiter dabei fast vornüber abwarf. Ruckartig riß es den Kopf nach unten und hustete hohl und rasselnd.
»Armer, alter Bursche.« Seregil tätschelte den Hals des Tieres. »Du bist ja besser geeignet, als ich zu hoffen gewagt hätte. Wir müssen später einen Drysier vorbeischicken, der ihn sich mal ansieht.«
»Was glaubst du, führt dieser Spion im Schilde?« fragte Alec, als sie in Schrittgeschwindigkeit weiterritten.
Seregil zuckte mit den Schultern. »Das ist vorerst schwer zu sagen. Eirual meint, dieser Kerl besitzt Dokumente, die er eigentlich nicht besitzen dürfte. Ich will mich vergewissern, ob sie recht hat.«
»Denkst du, er ist ein Plenimaraner?«
»Es ist noch zu früh, um darüber ein Urteil zu wagen. In einer solchen Lage ist es am besten, für alles offen zu bleiben, bis man unwiderlegbare Beweise in der Hand hat. Sonst läuft man nur herum und versucht, seine Theorie zu belegen und übersieht dabei womöglich wichtige Einzelheiten. Vielleicht hat das Ganze auch überhaupt nichts zu bedeuten, aber es erscheint mir interessanter als alles, was uns in den letzten Wochen untergekommen ist.«
Die Wachen am Ufertor kümmerten sich wenig um ordentlich gekleidete, leicht angeheiterte Lords, die unterwegs in die Unterstadt waren, um sich dort auszutoben. Gelangweilt winkte der Wachtmeister sie durch und kehrte zum Feuer zurück.
Am Ende des Hafenweges wandten sie sich nach Osten und ritten an den Zollbaracken und Kais vorbei in eine einigermaßen achtbare, von Mietshäusern gesäumte Straße.
Hinter ein paar verschlossenen Fensterläden brannte noch Licht, aber der Großteil der Gegend schien zu schlafen. Irgendwo in der Nähe heulte klagend ein Hund; schaurig hallte das Geräusch durch die dunklen Straßen. Seregils Roß legte erschrocken die Ohren an, dann hustete es abermals rasselnd, so daß sein Geschirr nur so klirrte.
»Das ist die Segelmacherstraße«, sagte Seregil und zügelte den Gaul am Beginn einer ungekennzeichneten Gasse. Er löste den Umhang, warf ihn Alec zu und faltete jenen auseinander, den er von Eiruals Bordell mitgebracht hatte. Er gehörte einem Hauptmann der Infanterie der Weißen Falken und wies ein großes, unverkennbares Emblem auf.
»Wo hast du den wieder gestohlen?« fragte Alec, während er beobachtete, wie Seregil den Umhang anlegte.
»Geliehen, mein Junge, geliehen«, verbesserte Seregil ihn kleinlich.
Alec schaute die jämmerlich beleuchtete Straße hinauf und hinunter. »Das Haus dort muß es sein«, sagte er und deutete auf ein Gebäude am Ende der Gasse. »Es ist das einzige mit einem gestreiften Fenstersturz.«
»Ja. Du hältst dich im Hintergrund bereit. Sollten wir fliehen müssen, reite ich wohl besser bei dir mit. Ich glaube kaum, daß der arme, alte Cloudy noch besonders lauffreudig ist.«
Seregil schüttete den letzten Rest Wein über den Widerrist seines Pferdes, knüllte den Umhang linkisch über eine Schulter und zog einen Fuß aus dem Steigbügel. Dann nahm er eine schlaffe, betrunkene Haltung an und stieß das Pferd in Bewegung. Er ritt vor die Tür und trat heftig dagegen.
»Ihr da in dem Haus!« brüllte er lallend und schwankte gefährlich im
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