Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
einem tiefen Seufzer preßte sich Eirual an ihn. »In der Segelmacherstraße in der Unterstadt. Ein Mietshaus mit einem roten und weißen Fenstersturz. Sein Name ist Rythel, ein großer, blonder Bursche mit einem kuschelig weichen Bart, ausgesprochen hübsch.«
»Und du meinst, ein solcher Brief hätte bei deinem Gast nichts zu suchen gehabt?«
Eirual nickte. »Allein deshalb, weil das Schreiben an Admiral Nyreidian gerichtet war. Ich habe den Admiral zwar noch nie getroffen, aber ich wette ein Monatseinkommen, daß er keine frischen Schwielen an den Händen und dreckige Fingernägel hat.«
»Oder einen blonden Bart«, sinnierte Seregil und dachte an den Mann, den er anläßlich der Trauernachtszeremonie kennengelernt hatte. Auch Nyreidian hatte davon gesprochen, von der Königin einen Auftrag erhalten zu haben, nämlich das Beaufsichtigen der Freibeuterschiffe.
»Zymanis würde einem solchen Kerl nicht einmal gestatten, auf seinen Schatten zu treten, geschweige denn einen Brief an ihn zu schreiben.« Sie warf Seregil einen verschlagenen Seitenblick zu. »Glaubst du, dein Freund, die Katze, könnte daran interessiert sein?«
»Schon möglich.«
»Ich könnte ihn ja auch selbst fragen«, meinte sie und winkte Seregil nicht zum ersten Mal mit dem Zaunpfahl. Über die Jahre hinweg war die Katze von Rhíminee in der Vorstellung mancher Menschen zu einer höchst romantischen Gestalt geworden, und viele beneideten Seregil um die anscheinend bevorzugte Stellung, die er genoß.
Langsam küßte Seregil sich einen Weg über ihre Brust. »Liebes, ich hab’ dir doch schon gesagt, daß er ganz anders ist, als du ihn dir vorstellst. Er ist ein häßlicher, schmächtiger Kerl, der die meiste Zeit durch die Kloake watet.«
»Letztes Mal hast du mir erzählt, er hätte einen Buckel«, verbesserte sie ihn und streichelte seinen Kopf.
»Das auch. Deshalb will er ja auch nicht gesehen werden – weil er so häßlich ist. O Mann, allein seine Furunkel …«
»Genug!« Lachend gab sich Eirual geschlagen. »Manchmal habe ich den Eindruck, du seist die Katze und denkst dir all das nur zur Tarnung aus.«
»Ich? Kannst du dir vorstellen, daß ich durch die Kloake wate und Besorgungen für gelangweilte Blaublüter erledige?« Er drückte sie aufs Bett und tat so, als wäre er zornig. »Oder wie ich über Häuserdächer tripple?«
»O ja«, keuchte Eirual und mußte bei dem Gedanken kichern. »Du bist der Schrecken der Stadt.«
»Da schätzt du mich aber völlig falsch ein, Mädel. Es gibt nur eines, was mir soviel Mühe wert ist.«
»Und das wäre, wenn ich fragen darf?«
Anzüglich grinste Seregil auf sie hinab. »Das wirst du gleich sehen.«
Als er aus ihrem Bett glitt, war die Kerze bis auf einen kleinen Stummel niedergebrannt.
Schläfrig drehte sich Eirual nach ihm um. »Bleib hier, Geliebter. Ohne dich wird mir kalt.«
Er zog ihr die Steppdecke unters Kinn und küßte sie. »Heute nacht kann ich nicht bleiben. Ich schicke dir morgen ein nettes Geschenk.«
»Na schön.« Fast schon wieder eingeschlafen, lächelte sie. »Irgend etwas mit Rubinen, dann verzeihe ich dir vielleicht.«
»Rubine also.«
Rasch kleidete er sich an und blies die Kerze aus. Leise zog er die Tür hinter sich zu und ging den Flur hinab zu Myrhichias Zimmer.
Er mußte mehrmals klopfen, bevor jemand antwortete. Endlich öffnete Myrhichia die Tür einen Spalt und spähte verärgert heraus.
»Er schläft«, teilte sie ihm mit und zog den Morgenrock zu.
»Wie bedauerlich.« Seregil drängte sich an ihr vorbei in die Kammer. Alec lag ausgestreckt auf dem Rücken im Bett; die schlafenden Züge widerspiegelten Glückseligkeit.
Sieht so aus, als hätte er doch noch seinen Spaß gehabt, dachte er mit einer Mischung aus Stolz und Wehmut und sah sich in dem unordentlichen Raum um.
Ohne sich um das Freudenmädchen zu kümmern, das vor Wut schäumte, beugte Seregil sich hinunter und schüttelte den Jungen an der Schulter.
Traumselig regte Alec sich, murmelte eine Liebesbekundung und griff empor, um Seregil ins Bett zu ziehen. Als seine Finger jedoch Wolle statt dem ertasteten, wovon er träumte, riß er die Augen auf und war mit einem Schlag hellwach.
»Was tust du denn hier?« keuchte er und setzte sich auf.
»Entschuldige.« Grinsend verschränkte Seregil die Arme vor der Brust. »Ich weiß, der Zeitpunkt könnte kaum schlechter gewählt sein, aber ich bin auf etwas Interessantes gestoßen und brauche vielleicht deine Hilfe.«
Alecs Blick
Weitere Kostenlose Bücher