Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Sattel. »Ich will diesen verfluchten Quacksalber! Bei Sakor, schickt ihn raus, diesen vermaledeiten Sohn eines Schweins!«
Unmittelbar über seinem Kopf schwang ein Fensterladen auf. Eine alte Frau steckte den Kopf heraus und schaute mit finsterem Blick und entrüstet zu ihm hinab.
»Hör sofort damit auf, oder ich hetze dir die Stadtwache auf den Hals!« kreischte sie und fuchtelte mit einem Stock nach Seregils Kopf. »Das ist ein anständiges Haus.«
»Ich höre erst auf, wenn ich die Hände um seine Kehle legen kann!« schrie Seregil zurück und trat abermals gegen die Tür.
»Du bist betrunken. Das rieche ich bis hier!« stellte die alte Frau verächtlich fest. »Hinter wem bist du überhaupt her?«
Just in dem Augenblick fuhr der Kopf des Grauen nieder, als das Tier gequält hustete.
»Da, hörst du’s?« grollte Seregil. »Wie in Bilairys Namen soll ich das meinem Kommandanten erklären, hä? Dein Kurpfuscher hat das Tier zugrunde gerichtet. Hat ihm Salze verabreicht und es damit halb umgebracht. Ich will ihm mein Schwert in den Arsch bohren, diesem pickelgesichtigen Scheißhaufen! Schick Medikus Rythel raus, oder ich komm rein und hol ihn.«
»Du betrunkener Hundesohn!« Die alte Frau holte zu einem weiteren Hieb mit dem Knüppel aus. »Hier wohnt Rythel, der Schmied, nicht Rythel, der Medikus.«
»Schmied?« Verwirrt glotzte Seregil zu ihr hinauf. »Wieso, in Sakors Namen, behandelt er mein Pferd, wenn er Schmied ist?«
Alec, der in den Schatten am Beginn der Straße kauerte, bebte vor unterdrücktem Gelächter. Seregils Vorstellung konnte sich mit jeder messen, die er im Theater gesehen hatte.
»Jeder zweite Mann entlang der Küste heißt Rythel, du Trottel. Du hast den falschen erwischt«, zischte die greise Pensionswirtin. »Schmied Rythel ist ein ehrenwerter Mann, was man von dir wohl kaum behaupten kann.«
»Ein ehrenwerter Mann, du meine Fresse!«
»Das ist er. Er arbeitet in der Oberstadt für Meister Quarin.«
Sie verschwand, und Seregil, zweifellos aus leidiger Erfahrung, trieb den Gaul gerade noch rechtzeitig aus dem Weg, ehe sie einen Nachttopf über das Fensterbrett auf ihn hinab entleerte.
Seregil verbeugte sich linkisch im Sattel. »Entschuldige mich untertänigst dafür, deinen Schlaf gestört zu haben, Mütterchen.«
»Du pennst heute nacht wohl besser auf dem Bauch«, keifte sie ihm nach, während er wackelig davonritt.
»Das war aber nicht gerade unauffällig«, stellte Alec, immer noch lachend, fest, als sie sich zurück zum Hafenweg begaben.
»Ein betrunkener Soldat, der mitten in der Nacht in der Segelmacherstraße vor dem falschen Haus einen Wirbel veranstaltet?« fragte Seregil und wirkte dabei höchst zufrieden mit sich. »Gibt es etwas Unauffälligeres? Und zudem hatte ich Erfolg. Jetzt wissen wir, daß dieser Rythel so etwas wie ein Wanderschmied ist. Was aber weder beantwortet, woher er genug Gold hat, um sich in der Lichterstraße herumzutreiben, noch wie die Dokumente eines Lords in seine Tasche gelangen.«
»Noch warum er so viel Gold bei sich hatte, obwohl die Dokumente immer noch in seiner Tasche waren.«
»Genau. Und worauf läßt das schließen?«
»Daß er das, was er treibt, schon seit einiger Zeit treibt – worum auch immer es sich handeln mag«, erwiderte Alec und schaute zurück zur Küste. »Wir müssen uns sein Zimmer ansehen, und wir sollten herausfinden, wer dieser Meister Quarin ist.«
»Wir machen uns gleich morgen an die Arbeit. Warte mal kurz.«
Inzwischen pfiff Seregils Grauer buchstäblich aus dem letzten Loch. Seregil zügelte den Gaul neben einer Laterne am Ende des Hafenweges, stieg ab und legte die Hände um den Kopf des Tieres. »Ich reite besser bei dir mit, Alec. Dieser arme, alte Kerl ist am Ende seiner Kräfte. Und den Umhang sollte ich auch wieder wechseln.«
Alec zog einen Fuß aus dem Steigbügel und streckte die Hand hinab. Seregil ergriff sie, schwang sich hinter Alec auf den Pferderücken und umschlang die Hüfte des Jungen.
Bei der Berührung überkam Alec neuerlich eine unerwartete, sinnliche Empfindung, zart wie der Flügelschlag einer Fledermaus, dennoch unverkennbar. Zwar hatte die Art, wie Seregil sich an einer Handvoll Hemd festklammerte, um das Gleichgewicht zu halten, ganz und gar nichts Verführerisches an sich, trotzdem sah Alec plötzlich vor sich, wie sein Freund den Kopf des jungen Mannes in Azarins Freudenhaus streichelte und später die dunkeläugige Eirual umarmte.
Seregil hatte ihn schon oft berührt,
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