Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
murmelte er. »Wenn wir Recht haben, was unseren Mann betrifft …«
»… dann erwartet ihn dasselbe Ende.« Ungerührt betrachtete Seregil die Köpfe. »An deiner Stellte würde ich mir darüber keine Gedanken machen. Tu ich auch nicht.«
Vor allem, seit du nur einen Atemhauch entfernt davon warst, selbst so zu enden, dachte Alec grimmig. Gelegentlich plagten ihn deshalb immer noch Alpträume, und manchmal überlegte er, was wohl geschehen wäre, wenn Micum und er Seregils Namen nicht von den sorgfältig ersonnenen Hochverratsanschuldigungen der Leragetreuen hätten reinwaschen können. Er fragte sich, ob es Seregil ebenso ging.
Sobald die farbenfrohen Markisen des Ufermarktes in Sicht gerieten, sprang Seregil vom Fuhrwerk und zeigte Alec den Weg zur Eisenwarenhändlerzeile, einer gewundenen Seitengasse, in der sich unter Dachgerüsten eingerichtete Werkstätten und rußgeschwärzte Gebäude aneinanderreihten. Eingedenk seiner Rolle verfiel Seregil in ein schlurfendes, schiefes Hinken und stützte sich auf Alecs Arm.
Ungeachtet des Straßennamens gingen hier Metallarbeiter jeder Art ihren Geschäften nach, da sie sich sowohl von der Nähe des Hafens als auch von der des Marktes Vorteile versprachen.
Beißende Dämpfe brannten Alec in den Augen, als sie sich einen Weg durch das Gewühl bahnten. In den Werkstätten sah er die Umrisse halbnackter Männer, die sich im rotleuchtenden Schein der Essen abzeichneten, so daß sie wie rachsüchtige Dämonen wirkten, wenn die Hämmer niedersausten und von glühendem Metall Funken aufstieben ließen. Überall rannten Lehrlinge mit Kohlenschütten umher; andere schwitzten über Blasebälgen und pumpten und pumpten, bis die Essen gelb-weiß glommen. Kessel, Schwerter, Werkzeuge und Rüstungsteile prangten über Türstöcken und wiesen darauf hin, welche Waren in dem jeweiligen Laden angefertigt wurden.
An der ersten Werkstatt, zu der sie kamen, hielten sie inne. Seregil humpelte auf einen Lehrling zu und erkundigte sich nach Quarin.
»Meister Quarin?« Der Junge deutete die schmale Gasse hinab. »Sein Laden ist noch ein Stück weiter, in der Nähe der Mauer, der größte im ganzen Block. Du kannst ihn gar nicht verfehlen.«
»Vielen Dank, mein Freund«, krächzte Seregil und griff wieder nach Alecs Arm. »Komm weiter, Sohn, wir sind fast da.«
Einen kurzen, verwirrenden Augenblick lang starrte Alec auf seinen Freund hinab. Sie hatten ihre Rollen nicht genau besprochen – so viele Monate nach dem Tod seines Vaters unerwartet »Sohn« genannt zu werden, jagte ihm einen übelkeitserregenden Schauder durch den Leib. Schuldbewußtsein folgte auf den Fuß; er hatte seit Wochen, vielleicht noch länger nicht mehr an seinen Vater gedacht.
Seregil schielte unter dem Hut mit dem einen sichtbaren, scharfen grauen Auge zu dem Jungen empor. »Alles in Ordnung?«
Alec starrte geradeaus und war überrascht von dem plötzlichen Brennen in den Augen. »Alles in Ordnung. Es ist nur der Rauch.«
Nachdem sie so manch schwerem Karren und zornigem Geschrei ausgewichen waren, fanden sie endlich Quarins Geschäft. Es handelte sich um eine riesige Werkstatt, wesentlich größer als die übrigen, und sie war in einer umgebauten Lagerhalle untergebracht.
Seregil verharrte eine Weile und wog den Ort durch die offene Tür ab.
»Von hier aus kann ich zwei Essen erkennen«, flüsterte er. »Siehst du die Kerle mit den Metallknöpfen am oberen Schürzensaum? Das sind alles Handwerksmeister. Dieser Meister Quarin muß wirklich einen guten Ruf haben, wenn er eine solche Mannschaft unter sich hat. Wollen mal sehen, was er über unseren Freund Rythel weiß.«
Unmittelbar hinter der Tür stießen sie auf eine Frau in knopfbesetzter Schürze, die gerade einem aufwendig verzierten Tor den letzten Schliff verlieh. Als sie die beiden erblickte, hielt sie inne und setzte den Hammer auf einem Knie ab.
»Sucht ihr hier jemanden?« rief sie ihnen zu.
Seregil senkte die Stimme auf ein heiseres Brummen. »Ist das hier Meister Quarins Laden?«
»Das da hinten ist der Meister.« Sie hob den Hammer wieder an und deutete auf einen gedrungenen, weißhaarigen alten Mann, der mit einer Metallnadel in der Hand mit mehreren anderen Schmieden um eine Werkbank stand.
»Eigentlich hat man uns losgeschickt, um Meister Rythel zu finden«, erklärte Alec. »Wir haben ihm eine Nachricht zu überbringen, und man hat uns gesagt, daß er hier arbeitet.«
Die Frau schnaubte verächtlich. »Ach, der! Er und seine
Weitere Kostenlose Bücher